Schiffstaufe in Leer/Ostfriesland

Endlich mal wieder nach Ostfriesland! Gut, nicht direkt ans Meer, aber Wasser gab es auch so genug… Doch dazu später.

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Anlass für die Fahrt war die Einladung von Krimiautorin Elke Bergsma zu einer Schiffstaufe. Elke? Ostfriesland? Schiffstaufe? Passt. :-) Ich war freudig überrascht und buchte mir sofort ein Hotelzimmer in der Nähe des voraussichtlichen Veranstaltungsortes, Fußweg ungefähr fünf Minuten. Zum Glück war ich schnell, denn die Gäste des feierlichen Anlasses reisten aus ganz Deutschland an und buchten auch dort, zudem wohnte im Hotel Hafenspeicher über Pfingsten auch noch die „U15“-Fußballnationalmannschaft, mit anderen Worten: das Haus war voll bis unters Dach.

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Unerfahren mit Festivitäten vom Kaliber einer Schiffstaufe startete ich im Vorfeld einige hektische Anfragen an die Gastgeberin. Man will ja schließlich alles richtig machen.

„Wie ist denn die Kleiderordnung zu diesem Anlass?“ – „Bequem.“

und

„Wo genau liegt denn das Schiff?“ – „Na, bei mir.“

Logisch. Ostfriesland eben. :-)

Also statt Abendkleid solche Dinge wie dicken Pullover und warme Socken eingeplant (vor allem angesichts der Wettervorhersage), zudem den Mantel in den Kofferraum und los gings.

Herrlich, wenn man vom Niederrhein, der nun nicht gerade mit Bergmassiven ausgestattet ist, wieder ins platte Ostfriesland kommt. Nur hier ist es wirklich platt, platter geht nicht, unendliche Weiten, und wie das Sprichwort sagt, man sieht schon am Donnerstag, wer am Sonntag zu Besuch kommen wird.

Auf das Schiff war ich furchtbar neugierig. Wer träumt nicht davon, mal ungebunden durch die Gegend zu schippern, überall bleiben zu können, wo es einem passt, weil man sein Zuhause ja immer bei sich hat?
Elke Bergsma verbindet diese Träume zusätzlich mit ihrem Beruf und ihrer Berufung: „Bookje“ (wird „Bauksche“ ausgesprochen) (fragt nicht) soll als Lese-Boot für entsprechende Veranstaltungen entlang der ostfriesischen Küste und darüber hinaus zur Verfügung stehen. Ungefähr 20 Menschen können Platz finden, und damit bleibt der intime Rahmen gewahrt, den es für Lesungen braucht.

Gegen 14 Uhr versammelten sich die Gäste rund um das Schiff und die gleich daneben gelegene Hafenbar, die uns nicht nur köstlichst verpflegte, sondern bei den zahlreichen Regenschauern zwischendurch, und wenn der Wind mal zu garstig wurde, Zuflucht bot.

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Elke versprach uns in ihrer Begrüßungsrede einen kurzweiligen Nachmittag und Abend, mit einem Rätsel rund um das Schiff, das es zu lösen galt („Bookje spricht zu Euch“, so ungefähr sagte sie), sie kannte und nannte jeden mit Namen, alle Anwesenden hatten auf die eine oder andere Weise mit Büchern, und eben auch mit Elkes Büchern zu tun. In der Mehrzahl waren es Autoren, vor allem Krimi-Autoren, deren hervorstechendste Eigenschaft ist, ständig auf der Suche nach neuen Verbrechen zu sein. Da wird dann auch schonmal die Praxistauglichkeit einer Idee geprobt, wenn sich die Gelegenheit bietet:

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Krimiautorin Nika Lubitsch aus Berlin fungierte als Taufpatin, und nach einer sehr launigen und lustigen Rede wurde, wie es der Brauch ist, ein Champagnerglas auf Deck zerschmettert.

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Der Himmel meinte es mal gut, und mal nicht. Meistens aber gut. Regenschauer gab es zwar zuhauf, aber die verzogen sich immer wieder schnell, und wir hatten ja genug Möglichkeiten, uns unterzustellen. Es wurde gerätselt, das Boot besichtigt, gelacht, erzählt, Wein getrunken, Papierschiffchen gefaltet, dem Shantychor gelauscht, neue Schreib-Pläne geschmiedet, noch mehr Wein getrunken und am Abend ließen wir die Papierschiffchen zu Wasser („die treiben jetzt da hinten hin, bis zur Polizei“, so unsere Kapitänin). Was für ein stimmungsvoller Abschluss eines wunderschönen Tages!

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In „Bookje“ hab ich mich sofort verliebt – was für ein Schmuckstück!

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Schiffsführer Volker (rechts im Bild) beantwortete geduldig und ausführlich jede meiner neugierigen Fragen – und schon hatte ich wieder einiges gelernt. Am Ende auch die Bedeutung der Flaggen, die sich an einer Schnur vom Bug bis zum Heck zogen.

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Das war nämlich die Botschaft, die es von den Gästen zu enträtseln galt. Mit der Hilfe des Internets fand ich mich zurecht, und wurde mit der richtigen Lösung sogar noch als Hauptgewinnerin des Abends ausgelost!

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Ein toller Abschluss eines rundum gelungenen Tages, lustig, stimmungsvoll, super geplant, mal Regen, mal Sonne, Gesang, Schiff, Wind, Stimmung – Ostfriesland eben.

Ich bin schon sehr gespannt auf die zukünftigen Reisen und Veranstaltungen mit und auf „Bookje“, dem Lese-Boot. Einzelheiten dazu wird es sicher bald auf der Webseite geben: www.dat-leseboot.de

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Mast- und Schotbruch, liebe Elke, und immer eine Handbreit Wasser unter’m Kiel!

Trier! Die Römer! Die Mosel!

IMG_9081aWanderer, kommst Du nach Trier, geh nicht in die Fußgängerzone!

Diese Reise kam zustande wie üblich: Ort mit möglichst viel Geschichte, Anfahrt mit dem Auto nicht länger als zwei bis drei Stunden, innerorts alles fußläufig erreichbar (ich erinnere an die Reisebedingungen für Brügge) und nette Umgebung für etwaige Ausflüge. Ein Artikel in der FAZ brachte die Erleuchtung: Trier sollte es sein. Älteste Stadt Deutschlands. Reichhaltige Funde aus der Römerzeit. Frei nach dem Motto: wer Rom liebt, wird auch Trier mögen. Hotel gebucht, Mietwagen, verlängertes Wochenende geplant, Reiseführer gekauft und los. Das Wort „verschandelt“ in der Unterzeile hatten wir geflissentlich überlesen.

Trier ist schön. Punktuell. An denjenigen Stellen, wovon auch Fotos im Reiseführer sind. Der Hauptmarkt, die Porta Nigra, der Dom, die Konstantinsbasilika. Dazwischen macht man am besten die Augen fest zu. Die Innenstadt ist Fußgängerzone, mit den üblichen Filialen der üblichen Geschäfte. Und damit meine ich nicht nur die Hamburger-Kette, sondern Bekleidung, Schuhe, Billig- und Drogeriemärkte, das gewohnte Bild. Man könnte sich auch in Gelsenkirchen, Neuss oder Castrop-Rauxel befinden.

Erst im Laufe der Zeit stellt sich heraus, dass man die richtigen Ecken kennen muss. Da landet man per Zufall in einer Fußballkneipe, und die Wirtin ist ein Musterbeispiel an Orts- und Menschenkenntnis gleichermaßen, erzählt aus ihrem Leben und weist den richtigen Weg heim. Das Ganze allerdings in einem sehr ungewohnten Dialekt. :-) Oder der Posthof, der am Abend stimmungsvoll beleuchtet ist und auf ein Bierchen oder Glas Wein einlädt. Überhaupt ist die Stimmung in der Stadt am Abend eine ganz andere – wie gesagt, wenn man die richtigen Ecken findet. Und die Menschen sind sehr, sehr freundlich, egal ob im Café, im Hotel oder anderswo – wenn man fragt, bekommt man ausführliche und profunde Antwort.

Zu den Einzelheiten:

Porta Nigra
Porta Nigra

Die Porta Nigra ist völlig überlaufen. Bitte nur kurz hingehen, versuchen, ein Foto zu machen, wo keine Menschenmassen drauf sind, und wieder weg.

Dom und Liebfrauenkirche
Dom und Liebfrauenkirche

Dom und Liebfrauenkirche müssen zusammen genannt werden, denn sie hängen praktisch zusammen. Ein beeindruckendes Kirchenbau-Ensemble, dabei sind das nur die „Reste“ eines gigantischen Kirchengeländes, das es im Mittelalter dort gegeben haben muss. Alleine das Taufbecken war damals um die 64 Quadratmeter groß, wird überliefert.

Konstantinsbasilika
Konstantinsbasilika

Die Konstantinsbasilika ist die größte Basilika überhaupt nördlich der Alpen, wiederaufgebaut und beeindruckend riesig.

Rheinisches Landesmuseum
Rheinisches Landesmuseum
Römische Trinkgläser
Römische Trinkgläser
Trierer Goldschatz
Trierer Goldschatz

Das Rheinische Landesmuseum präsentiert sich hell, luftig und bescheiden, dabei wäre gerade hier (wenn schon für irgendetwas in Trier) die Werbetrommel angebracht: in der Sonderausstellung „Ein Traum von Rom“ finden sich wunderbare Fundstücke aus der Römerzeit, anschaulich und ansprechend präsentiert, mit vielen kleinen und großen Schätzen und einem richtigen Goldschatz, der erst vor zwanzig Jahren bei Bauarbeiten gefunden wurde. Im angegliederten „Café Zeitsprung“ kann man eine Pause machen, Kleinigkeiten essen und die Ausstellung noch einmal in Ruhe überdenken.

Amphitheater
Amphitheater

Das Amphitheater ist leider nur noch eine Ruine, es sind keine Sitzreihen in den oberen Rängen mehr da. Trotzdem immer noch die aus solchen Veranstaltungsorten bekannte gute Akustik und die Möglichkeit, unterhalb der Arena durch dunkle, feuchte Gänge zu gehen und sich zu gruseln.

Kaiserthermen
Kaiserthermen

Die Kaiserthermen: nie in Betrieb gewesen, im Gegensatz zu den Barbarathermen, die man aber leider nicht besichtigen bzw. nur von einer Aussichtsplattform fotografieren kann. Im Grunde sind die Kaiserthermen eine Bauruine, aber eine sehenswerte. Die damals geplanten Dimensionen sind selbst für eine Alterumswellnessoase beachtlich.

Trier, Stadtansicht
Trier, Stadtansicht

Ein versöhnlicher Blick über die Stadt ergibt sich vom Westufer aus. Man kann mit dem Auto bis knapp unterhalb der Mariensäule im Stadtteil Pallien/Markusberg fahren und das letzte Stück zu Fuß hochklettern. Dieser Ausflug ist für den Spätnachmittag zu empfehlen, vorzugsweise bei schönem Wetter, da die Stadt dann in der Abendsonne liegt. Der Dom, die Liebfrauenkirche, die Basilika und die Kaiserthermen lassen sich dann gut ausmachen, mit einiger Mühe auch die Porta Nigra. Vor allem bietet sich ein wunderschöner Blick auf die Mosel, die gerade an dieser Stelle in der Flussmitte eine schmale, langgestreckte Insel aufweist.

Fazit
Die mehr oder weniger scheußliche Innenstadt – auch der Hauptmarkt mit einigen sehenswerten Gebäuden und das eine oder andere Haus im Jugendstil können es nicht herausreißen -, dafür kann Trier nichts. Im Krieg stark zerstört, musste, wie in so vielen Städten, alles möglichst schnell wieder aufgebaut werden. Für Restaurierungen gab es kein Geld, keine Zeit, und die Sorgen waren andere.

Schade jedoch, dass Trier aus diesen Pfunden, mit denen es heute zweifelsfrei wuchern kann, so wenig macht. Nicht, dass ich es unbedingt brauche, aber ich habe beispielsweise in der Stadt keinen einzigen Andenkenladen gesehen, bestenfalls zufällig ein paar Umhängetaschen mit „Trier“-Schriftzug. Nach Informationsbroschüren muss man am besichtigten Objekt selbst fragen, dann gibt es auch welche, informative Faltblätter, Museumspläne, Lektüre, im Museumsladen des Rheinischen Landesmuseums dann endlich auch ein paar Mitbringsel für daheim.

Es fehlt ein durchdachtes Konzept, die Innenstadt auf den Wegen zwischen den Sehenswürdigkeiten für Besucher ansprechend zu gestalten und die reiche und interessante Geschichte Triers – immerhin einst größte römische Stadt diesseits der Alpen – angemessen hervorzuheben. Es gibt Hinweisschilder zu den Sehenswürdigkeiten, reichlich. Fußgänger finden sich gut zurecht. Aber wenn man ausnahmsweise per Auto unterwegs ist – wir wollten die Kirche St. Paulin im Norden der Stadt anfahren und vorher das Amphitheater besuchen – fehlen entsprechende Hinweise, wenigstens auf das Amphitheater. Zum Glück hatten wir einen Stadtplan und wussten, wie wir es ansteuern mussten – Hinweisschilder haben wir auf der Strecke keine gesehen, erst unmittelbar davor. Ich musste das Lenkrad beinahe herumreißen, sonst wäre ich an der Einfahrt zum Parkplatz vorbeigefahren. Und nicht jeder kann immer alles zu Fuß machen.

Ein Tagesausflug oder auch zwei Tage lohnt sich für Trier auf jeden Fall – für Rom-Begeisterte und/oder Shopping-Süchtige. Wer einfach nur ein malerisches altes Städtchen mit dem entsprechenden Flair genießen will, wird eher einige Kilometer weiter an der Mosel entlang auf seine Kosten kommen.

Fotogalerie:

Salzburg, November 2013


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