#autorenwahnsinn, Tag 11 – Eine besondere Widmung

Küssen kostet extraHerausforderung: Zeig uns eine besondere Widmung – von dir oder einem anderen Autor!

Sehr stolz bin ich auf die Widmung, die Carline Mohr mir in ihr erstes Buch „Küssen kostet extra“ geschrieben hat. Ich hatte das große Glück, bei der bemerkenswerten Buchparty dabei zu sein, die Carline anlässlich des Erscheinens in Berlin gefeiert hat, und tatsächlich lese ich das Buch gerade, wenn auch leider mit großer Verspätung. Aber deshalb nicht weniger begeistert!

Ein Buch mit viel Biss, sehr viel Witz und noch mehr Herz. Die Hauptfigur Fanny muss man einfach liebgewinnen. Sie ist Studentin und chronisch pleite, als sie völlig abgebrannt den Job der Bardame in einem Münchner Bordell übernimmt. Der Blick hinter die erotische Glitzerfassade ist immer faszinierend, manchmal erhellend, oft genug erschreckend. Großartig geschrieben, gefühlvoll, witzig – und trotzdem mit der notwendigen Distanz, die man braucht, um auch bissig zu kommentieren.

Also nicht nur eine besondere Widmung, sondern gleich auch eine ausdrückliche Empfehlung, Carlines Erstling zu lesen!

Trauer „nur“ virtuell

Es ist in den letzten Tagen schon so viel über den verstorbenen Blogger und Twitterer Johannes Korten geschrieben worden, und von allen besser, als ich es je könnte. Trotzdem, es treibt mich um. Ich bin sehr, sehr traurig. Kann man um jemanden trauern, den man „nur“ über die sogenannten „sozialen Netzwerke“ kennt, gekannt hat? Seit dieser Woche beantworte ich die Frage eindeutig mit „ja“.

Im vergangenen Jahr bin ich auf ihn aufmerksam geworden, als er die Aktion „Ein Buch für Kai“ ins Leben rief, die überaus erfolgreich war. Wie das oft so ist, man „stolpert“ bei Twitter über einen Account, der einen neugierig macht, man entdeckt den Menschen dahinter und liest seine Veröffentlichungen mit. Man wird zum „Follower“, wie man das auf Twitter nennt.

Johannes machte mich neugierig. Seine Kreativität, seine Ideen, seine Gedanken, seine Haltung, immer menschlich, aber fest in seinen Überzeugungen, das alles imponierte mir und ich bekam, was im Netz eher selten der Fall ist, Respekt vor diesem Menschen. Dass ich ihn für mich, im Stillen, Johannes nannte, ist eine dieser Eigentümlichkeiten der modernen Medienwelt: eine tatsächlich empfundene Nähe über das Internet, ohne sich zu kennen, ohne sich auch räumlich gegenüber zu sitzen. Vieles, was er schrieb, gefiel mir, berührte mich, und möglicherweise hat auch irgendetwas, was ich geschrieben habe, ihm gefallen.

Bald schon folgte Johannes auch mir auf Twitter, ich weiß noch, dass ich mich darüber freute, das eine oder andere Wort werden wir ausgetauscht haben, das Medium Twitter ist in einem Moment intensiv, und gleich darauf wieder flüchtig. Andere Dinge drängen sich ins Bild, und der gute Gedanke, den man gerade noch hatte, ist weg. Gerade in der letzten Zeit, wo sich viele Ereignisse überschlagen, die man kaum wegstecken kann und die offenbar auch Johannes sehr zugesetzt haben.

Als ich mich zur re:publica im Mai in Berlin anmeldete, stellte ich erfreut fest, dass er dort einen Vortrag über seine Aktion „Ein Buch für Kai“ halten wollte. Der Termin wurde noch vor allen anderen fest notiert, und natürlich saß ich im Publikum:

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Hier der ganze Vortrag:

Ich kann nicht besonders gut auf Menschen zugehen, vermutlich war Johannes nach dem Vortrag ohnehin umringt von Bekannten, Freunden, vielleicht musste ich auch weiter, zur nächsten Veranstaltung, ich weiß es nicht. Jedenfalls habe ich ihn nicht angesprochen und flüchtig gedacht, naja, dann im nächsten Jahr. Vielleicht kommt man mal ins Gespräch. Das wäre schön. Ich schreib ihm auf Twitter.

Ich las weiter mit, antwortete hier und da, sah die Fotos mit seinen Kindern, las seinen Blog, der mir in letzter Zeit düsterer erschien. Auch die Fotos. Immer schwarz-weiß, nun ja, das gibt dem Ganzen eine künstlerische Note. Ich dachte, es sei eine allgemeine Unlust, eine Frustration, wie sie einen in diesen unruhigen Zeiten durchaus befallen kann, wenn man oft genug glaubt, gegen Windmühlenflügel zu kämpfen. Ich habe die Zeichen nicht gesehen, so ist das leider, wenn man jemanden eben doch nicht wirklich kennt.

Und dann kam der vergangene Montag, der beschissenste Montag ever, nach einem Wochenende mit Gewalt und Anschlägen, das schon beschissen genug war. Gegen neun Uhr am Morgen las ich verwirrt, dass Johannes gesucht wurde. Sein eigener letzter Tweet tauchte auf, der Link auf seinen Blog funktionierte in diesem Moment aber nicht.

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Ich verstand nicht, was da los war, fragte herum. Was bedeutet das, ist das ernst gemeint? Er habe einen Abschiedsbrief hinterlassen, hieß es, und mir wurde eiskalt und gleichzeitig schlecht. Endlich kam ich auf die Seite, las den Brief, einmal, zweimal, verstand immer noch nicht. Wollte nicht verstehen, obwohl ich genau spürte, wie ernst es ist. Wie so viele andere verbreitete ich die Meldung weiter: bitte helft, bitte sucht ihn, vielleicht ist es noch nicht zu spät. Die Polizei war eingeschaltet, ein Hubschrauber kreiste über Bochum, eine Suchmeldung war herausgegeben, die auch über die Medien verteilt wurde.

Gegen Mittag dann die schreckliche Gewissheit: die Polizei hat ihn tot aufgefunden. Er hatte es so geplant, er war in seinem Abschiedsbrief glasklar und entschlossen, es gab kein Zurück. Seinen letzten Tweet mag er zeitgesteuert veröffentlicht haben. Als wir anfingen, nach ihm zu suchen, war es wahrscheinlich schon zu spät. Aber man hofft trotzdem…

***

Was ist Trauer? Trauer ist ein Gefühl, das einen unvorbereitet mitten ins Herz trifft und schmerzt, unabhängig davon, wie gut man die Person gekannt hat oder nicht. Es ist das intensive Gefühl, im eigenen Leben plötzlich eine Lücke zu spüren, die nicht zu füllen ist. Es fehlt etwas, das ganz besonders und einmalig war. Johannes‘ Tweets, seine Fotos, seine Blogbeiträge werden mir fehlen. Aber Trauer ist noch mehr: es ist vor allem das Bedauern, Dinge nicht gesagt oder getan zu haben, und festzustellen, dass es unwiderruflich zu spät ist. Ich hätte öfter das Gespräch suchen sollen, auf Twitter. Ich hätte ihn ansprechen sollen, im Mai in Berlin, ich hätte ihn fragen sollen, wie es ihm geht, ich hätte ihm sagen sollen, wie sehr ich ihn, den Menschen Johannes Korten, schätze. Ich will mir nicht einbilden, dass genau dieses Quentchen für ihn einen Unterschied ausgemacht hätte. Vielleicht doch? Vielleicht hätten es ganz viele Quentchen sein müssen. Zu viele. Ich weiß es nicht, und ich werde es nicht mehr erfahren.

Ich würde ihm gerne zurufen, dass sein Leben überhaupt nicht vergeblich war, wie er geglaubt hat, dass er mich und viele andere inspiriert hat, Mitmenschlichkeit zu zeigen, Ideen für ein besseres Miteinander zu entwickeln, dass er ganz vielen Menschen Mut gemacht und sich Respekt verdient hat, obwohl er ihn in seiner Bescheidenheit gar nicht verdient zu haben glaubte.

Wie unermesslich groß muss die Dunkelheit in ihm gewesen sein, wie umfassend seine Verzweiflung, wie quälend das Gefühl, zu nichts nutze zu sein, eine Belastung für andere. Ich kann es mir nicht einmal annähernd vorstellen. Meine Gedanken gelten seiner Familie, seinen Kindern – selbst sie konnten gegen die Dämonen, die ihn quälten, nicht ankommen.

Was bleibt? Der Vorsatz, achtsamer mit Mitmenschen umzugehen, ob virtuell oder persönlich. Und das hier. Dieser Satz wird uns immer an Johannes denken lassen und Ansporn sein:

„Das Netz ist ein guter Ort – wenn wir es gemeinsam dazu machen.“

Wir haben es nicht rechtzeitig geschafft, das Internet und die Welt zu einem Ort zu machen, an dem Du bleiben kannst, Johannes. Aber wir bleiben dran. Mach es gut da oben. Ich bin sicher, Du bist im Himmel gelandet.

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Der Himmel über Berlin

„Sei bitte nicht tot.
Würdest Du das für mich tun?
Hör einfach damit auf.“

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Es ist nicht so wie im Fernsehen. Es ist nicht so, dass Du mich beobachtest, während ich an Deinem Grab stehe. Es ist nicht so, dass Du irgendwann plötzlich wieder vor mir stehen wirst. Ich habe eine ganze Zeitlang gedacht, wenn ich es nur für unwahrscheinlich genug hielte und es mir fest genug wünschte, dann wärst Du nicht tot. Und dieser ganze Alptraum mit Telefonaten vor dem Krankenhausaufenthalt, mit Berichten und Fotos von der Intensivstation, mit Todesanzeigen, Nachrufen, dem Ordnen des Nachlasses, und dass ich jetzt mit Deinem Auto herumfahre, dessen Kennzeichen Deine Initialen und Dein Geburtsdatum sind – dann wäre das alles nur ein riesengroßer Betrug gewesen, ein Fake, und in Wirklichkeit bist Du nicht tot. Sondern versteckst Dich nur, weil…

Ja, warum solltest Du? Es gibt keinen Grund. Du warst dem Leben zugewandt, so offen, so herzlich, so verletzlich, gleichzeitig oft ungeduldig, manchmal sogar grob, aber eins warst Du vor allem: Du selbst. Ich wusste bei Dir immer, woran ich war, hatte nie das Gefühl, Dir etwas verschweigen zu müssen. Es gab diese ganz besondere Verbindung zwischen uns, vom ersten Moment an, die war immer da, auch wenn wir uns nur in großen Abständen gesehen haben. Wie Seelenzwillinge. Ich vermisse die spontanen Telefonate, in denen Du mir vor Vergnügen glucksend Geschichten erzählst, immer im Berliner Tonfall, manchmal auch abgleitend ins Vogtländische, wo Du herstammst. Ich vermisse die regelmäßigen SMS, die mit guten Sonntagswünschen hin und her gingen. Die Verbundenheit war viel tiefer als das. Ich wusste einfach, ob es Dir gut oder schlecht ging, und umgekehrt genauso. Herrschte zu lange Schweigen, rief einer von uns an und erkundigte sich besorgt.

Ich weiß, dass Du manchmal neben mir sitzt, wenn ich mit Deinem blauen Auto herumfahre. Ich glaube, Du wolltest, dass ich es bekomme, wenn Du nicht mehr da bist. Ich weiß noch, wie wir zusammen darin saßen und Du mir Berlin gezeigt hast. Immer warst Du dann ganz stolz, als hättest Du persönlich es erbaut. Über den Kudamm sind wir gefahren, über die Glienicker Brücke, wir waren am Wannsee und an dem Ort, wo Kleist ins Wasser ging, auf dem Tempelhofer Feld, bei Theaterpremieren, und gemeinsam bei der Museumsnacht unterwegs, fast alles mit diesem kleinen blauen Auto, an dem so viele Erinnerungen hängen. Immer gab es zu sehen und zu entdecken und vor allem zu lachen und zu erzählen. Immer. Ich aus dem Westen, Du aus dem Osten, und gemeinsam erkundeten, verwünschten und beratschlagten wir die neue, komplizierte, zusammenwachsende Welt, und waren dankbar, dass wir uns kennenlernen konnten.

Der Himmel über Berlin war für mich immer blau und wolkenlos. Seit dem letzten Sommer trägt der Himmel ein paar kleine, weiße Wölkchen, und auf einem davon sitzt Du und schaust dem Treiben auf der Erde zu, ich bin sicher. Denn immer ist da jetzt mindestens ein kleines weißes Wölkchen, wenn ich in Berlin bin und nach oben sehe. Das beruhigt mich. Du passt von dort oben auf mich auf.

Die Trauer kommt in Wellen. An guten Tagen freue ich mich, jetzt einen ganz persönlichen Schutzengel zu haben. An anderen Tagen wieder reicht ein kleiner Anlass und ich bin zu nichts mehr zu gebrauchen, weil ich unversehens über ein Foto, einen Erinnerungsfetzen, ein Andenken stolpere. Wenn ich daran denke, dass ich Dich auf Deinem letzten Weg nicht begleiten konnte. Wenn ich darüber nachdenke, was ich Dir alles sagen wollte und es verschoben habe. Wenn wieder zur Gewissheit wird, dass das Leben ohne Dich weitergeht. Du fehlst mir entsetzlich.

Manchmal bin ich ganz in Deiner Nähe. Dann sitze ich in dem Café, wo wir uns oft getroffen haben, denke an Dich, an unser letztes Gespräch und will sonst niemanden sehen. Oder ich bin auf dem Friedhof, wo Deine Urne begraben wurde. Ich habe keine Blumen dabei, und ich weiß, dass Du mir das verzeihst. Aber ich habe immer, immer einen kleinen Zettel in der Tasche, zusammengefaltet, und das Papier sorgfältig ausgesucht, auf dem eine Botschaft für Dich steht. Ich verbrenne den Zettel, dort, wo die Erde das birgt, was von Dir übrigblieb, und sehe zu, wie die Buchstaben, aufgelöst in Rauch, aufsteigen, bis zu Dir, bis zu Deiner Wolke. Ich schreibe auf, was ich Dir nicht mehr sagen konnte. Ich schreibe auch auf, was ich Dir nie sagen konnte, und irgendwann werde ich vielleicht alle Worte und allen Rauch hinaufgeschickt haben.

Irgendwo bist Du noch. Musst Du noch sein. Kannst Du nicht bitte nicht tot sein? Ich muss Dir noch so viel erzählen…

„Nun, o Unsterblichkeit, bist du ganz mein.“
Kleist, Prinz von Homburg

Dorotheenstädtischer Friedhof und Französischer Friedhof, Berlin

Endlich habe ich es geschafft, diese beiden zu besuchen, sie standen schon lange auf meiner Liste. Der Französische Friedhof bildet gemeinsam mit dem benachbarten Dorotheenstädtisch-Friedrichswerderschen Friedhof das bedeutendste erhaltene und noch genutzte Friedhofsensemble Berlins. Und meine Verwunderung war groß, dass er praktisch nur einen Steinwurf weit entfernt liegt vom nördlichen Ende der Friedrichstraße und in der Nähe der Oranienburger Straße, einer Gegend, in der ich schon oft unterwegs war.

Der Dorotheenstädtische Friedhof wurde 1762 angelegt (der Französische Friedhof  1780) und bis 1826 mehrmals vergrößert. Er ist auch als „Promi-Friedhof“ bekannt, denn zahlreiche bekannte Persönlichkeiten sind hier begraben: die Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Johann Gottlieb Fichte, die Schriftsteller Heinrich Mann, Bertolt Brecht, Johannes R. Becher, Arnold Zweig, Christa Wolf und Anna Seghers, der Regisseur Heiner Müller, die Baumeister Friedrich August Stüler und Karl Friedrich Schinkel, der Künstler John Heartfield, Schauspieler Bernhard Minetti, die Schauspielerin Helene Weigel und der Buchdrucker Ernst Theodor Litfaß, Alt-Bundespräsident Johannes Rau. Und schließlich – leider, leider – einer meiner Lieblingsschauspieler: Otto Sander.

Der Friedhof hat einfach „Flair“, wenn man das über einen Friedhof sagen kann. Irgendwie kann man es spüren, dass hier vor allem Künstler bestattet wurden, es liegt fast eine gewisse Heiterkeit über der gesamten Anlage. Ist in den letzten Jahren ohnehin in Mode gekommen, Gräber individuell zu gestalten, so kann man es hier sogar über die Jahrhunderte hinweg beobachten.

Zwei Trends der letzten Jahre sieht man auch in dieser Anlage: die jüdische Sitte, Steine auf das Grab zu legen, und eine andere: kleine Buddha-Statuen aufzustellen.

Meine ständige Rede: dass man jedem Grab ansehen kann, wieviel der Verblichene seinen Angehörigen und Freunden bedeutet hat. Aber noch nirgends fand ich positive und negative Beispiele so nah beieinander wie hier. Das wohl tristeste Grab, dass ich je gesehen habe, war das der Schauspielerin Jenny Gröllmann auf dem französischen Friedhof. In einer schmucklosen Vase zwei schon lange verwelkte Rosen, keine Bepflanzung, statt dessen hatte jemand wohl während des Winters Tannenzweige auf die Grabstätte gelegt, die inzwischen alle braun geworden waren. Hier hat sich schon lange niemand mehr gekümmert (Stand: Mai 2015). Ein sehr trauriger Anblick.

Und was für ein Gegensatz das Grab von Otto Sander. Da ist sofort jedem klar: dieser Mensch ist sehr geliebt worden. Unzählige frische Blumen in Vasen oder Töpfen, alles bepflanzt, die Grabstätte liebevoll mit großen Kieseln begrenzt, kleine Kunst- und Erinnerungsgegenstände, Figuren in allen Größen – wunderschön! Offenbar bekommt Otto regelmäßig Besuch… 😉

Ein Grabmal, das ich in seiner Ausdehnung und Ausstattung zunächst irritierend fand, hat mich dann aber doch sehr berührt: der Königliche Baurat Friedrich Hoffmann hat es 1855 für seine vier Kinder errichten lassen, die innerhalb weniger Wochen alle an Scharlach verstarben…

Hier meine Galerie:

 

Sascha Bors:
Gestern Nacht im Taxi

Sascha Bors: Gestern Nacht im Taxi„Wem vertrauen wir, obwohl wir ihn nicht kennen?“
(Sherlock, Staffel 1, Folge 1)

Was man schon immer über Taxifahrer wissen wollte – in diesem Buch erfährt man es! Ich habe schon öfters im Blog von Sascha Bors (http://gestern-nacht-im-taxi.de) herumgestöbert und mich riesig gefreut, seine Geschichten aus meiner Lieblingsstadt Berlin rund um Taxi, Fahrer und Gäste nun kompakt als Buch lesen zu können. Auf Sascha aufmerksam geworden bin ich auf Twitter (@sashbeinacht), denn er schreibt nicht nur in seinem Blog unterhaltsam, sondern spielt ohnehin gern mit Worten herum, er ist unglaublich witzig und hat das Herz am rechten Fleck.

Ich wurde vom Buch nicht enttäuscht: Sascha Bors hat einen lockeren, aber ungemein treffenden Schreibstil, teilweise hab ich beim Lesen über seine Erlebnisse laut gelacht. Andere Stellen wiederum machten mich nachdenklich, denn obwohl ich, wie wohl jeder, schon oft im Taxi mitgefahren bin, hab ich mir über diesen Beruf nie viele Gedanken gemacht. Das hat sich geändert, und zwar grundlegend. Meine Hochachtung vor einem anstrengenden und oftmals schwierigen Beruf. Hoher Unterhaltungswert, uneingeschränkte Lese- und Kaufempfehlung!

Jüdischer Friedhof Schönhauser Allee, Berlin

Wenn man in Berlin mal allein sein will, also, wirklich allein – dann sollte man an einem kalten Wintertag den Jüdischen Friedhof an der Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg besuchen. Wer nicht gezielt hierhin will, wird den Friedhof abseits der Touristenwege nämlich kaum ansteuern.

Vorweg: das mit dem „Alleinsein“ ist relativ. Kaum einer mag an einem kalten Februartag, wenn einem der eisige Wind um die Ohren pfeift, überhaupt nach draußen, geschweige denn auf einen Friedhof gehen. Ich war der einzige Besucher an diesem Vormittag. Und ich meine das mit dem Alleinsein nicht negativ. Man kann Ruhe und Abgeschiedenheit auch genießen, ich bin ja so ein Mensch (siehe Seite „Sepulkralfotografie„). Ich bin gerne mit der Kamera auf Friedhöfen unterwegs, und hier erhoffte ich mir neben einem Einblick in die jüdische Kultur auch neue, womöglich ungewöhnliche Motive.

Die gibt es in der Tat zuhauf, vor allem leider deswegen, weil der Friedhof, wie man sich denken kann, eine wechselvolle Geschichte hatte. Hauptsächlich wurde er zwischen  1827 und 1880 genutzt, und man kann an den Grabstätten die allmähliche Veränderung des traditionellen jüdischen Lebens im 19. Jahrhundert nachvollziehen. Inschriften änderten sich, auch die Art der Grabsteine, was Gestaltung und Material betrifft. Während des 2. Weltkriegs wurden Verzierungen und Grabgitter aus Metall geraubt und eingeschmolzen, zwischen den Gräbern Schützengräben gezogen. Später fielen Grabstätten immer wieder Vandalismus zum Opfer, die Spuren aus Jahrzehnten sieht man überall, umgeworfene Grabsteine, sogar Monumente mit deutlichen Brandspuren. Manche Grabsteine konnten bei Restaurierungsarbeiten keiner bestimmten Grabstelle mehr zugeordnet werden und wurden im „Lapidarium“ im Eingangsbereich des Friedhofs aufgestellt. Hier gibt es auch eine kleine, aber sehr informative Dokumentation über jüdische Friedhofskultur und jüdische Trauerrituale.

Insbesondere diese kleine Ausstellung hat mich sehr berührt, wurden mir doch Details des jüdischen Glaubens nahegebracht, die mir bis dahin unbekannt waren, zum Beispiel:

Jüdische Gemeinden haben sich immer bemüht, einen Friedhof als Eigentum zu erwerben, um die Totenruhe für alle Zeit zu garantieren. Der Grund hierfür ist die jüdische Vorstellung von Tod und Auferstehung:

Vor etwa 2000 Jahren entwickelten die Rabbiner die Lehre, dass Gott am sechsten Schöpfungstag die Seelen aller Menschen, die jemals auf Erden leben werden, erschaffen hat. Im Gan Eden, dem Paradies, warten sie darauf, während des Zeugungsaktes in den ihnen vorbestimmten Körper eingeleibt zu werden, geboren zu werden und zu leben. Nach dem Tod des Menschen wird der Körper begraben und die Seele kehrt in das Paradies zurück. Wenn nun alle Seelen genau einmal in ihrem bestimmten Körper gelebt haben und zurückgekehrt sind, dann ist, so die Gelehrten des Talmud, der Tag der Auferstehung gekommen. Jede Seele wird mit dem Körper, mit dem sie das irdische Leben geteilt hat, zusammengeführt werden und die Wonnen des ewigen Lebens genießen.

Einen Besuch kann ich unbedingt und uneingeschränkt empfehlen, und der Friedhof ist in wenigen Schritten vom U-Bahnhof „Senefelder Platz“ gut zu erreichen. Achtung bei den Öffnungszeiten, die sind leider nichts für Wochenendbesucher: freitags ist der Friedhof nur bis 14.30 Uhr geöffnet, samstags und sonntags geschlossen. Einzelheiten im oben verlinkten Wikipedia-Artikel und auf der Webseite von Berlin.de.

Galerie (Fotos vom 6. Februar 2015) :

Mein Jahr 2014

Der Titel täuscht etwas. 2014 war gewiss nicht ‚mein‘ Jahr. Man könnte es meiner Meinung nach sogar aus dem Kalender streichen – und wo ist überhaupt Heribert Illig, wenn man ihn braucht? 😉

Wenn mich etwas erfreut hat, waren es oft die kleinen Dinge am Rande. Oder die unerwarteten. Oder die spontanen. Wie zum Beispiel ein kurzentschlossener Besuch im Februar 2014 bei der Berlinale. Oder besser gesagt: ein Besuch von Berlin im Berlinale-Fieber. Denn um die Wahrheit zu sagen: ich habe keinen einzigen Film gesehen. Aber am roten Teppich gestanden – und George Clooney zugejubelt! Ein Hauch von Hollywood! Berlin war eine einzige Partymeile, tolle Stimmung, verrückte Typen, Gedränge, Autogrammsammler, eine selbst für Berlin ungewöhnliche Betriebsamkeit, und trotzdem alles gelassen und gesittet. Meistens jedenfalls.

George Clooney

Winter und Frühjahr sind in den letzten Jahren traditionell Kinofilmen gewidmet. Meist starten die interessantesten Filme im Winter, und in Vorbereitung auf die Oscar-Verleihung, die immer Ende Februar stattfindet, versuche ich, so viele der nominierten Filme wie möglich vorher zu sehen. In 2014 hat es sich besonders gelohnt, sich die Nacht um die Ohren zu schlagen, die Oscar-Verleihung war ein ausgesprochen unterhaltsamer Abend mit dem meist retweeteten Twitter-Selfie ever:

Promi-Selfie

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Wunderschön, meditativ und zum Träumen romantisch: die Musik von William Fitzsimmons. Der Typ mit dem grausligen Bart und der Samtstimme. Er gastierte in Köln, und ich hatte mir zum Glück rechtzeitig ein Ticket besorgen können. Ein wunderschöner Abend.

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Ein nachhaltiges Ereignis in jeder Hinsicht war sicher das Unwetter am Pfingstmontag. Ich erinnere mich, dass wir abends im Wintergarten saßen, während es draußen über eine Stunde lang ununterbrochen grollte und blitzte und wir uns von Wolkenmassen und Regengüssen förmlich überrollt fühlten. Ich mag Gewitter, habe auch überhaupt keine Angst davor, aber dies war extrem unheimlich. Am nächsten Morgen sah alles erst einmal ganz normal aus. Im Garten war nicht ein einziger Blumentopf umgefallen, und auf dem Weg zum Bahnhof lagen lediglich ein paar Äste, nichts Ungewöhnliches also. Wie sich dann herausstellte, war Kaarst wohl eine Insel der Glückseligkeit, während nur wenige Kilometer weiter eine Schneise der Verwüstung geschlagen war. Hunderte, tausende Bäume im Umkreis abgeknickt und umgefallen wie Streichhölzer, Straßen und Bahngleise tagelang komplett blockiert, der Wald zwischen Kaarst und Neuss existiert nur noch zum Teil, es war (und ist) unbeschreiblich. Und bis heute (Stand Dezember 2014) sind noch längst nicht alle Schäden beseitigt.

So sah am Tag nach dem Sturm der Radweg aus, den ich üblicherweise von Kaarst nach Neuss befahre (hinten im Bild sieht man, dass es dort nicht weitergeht), und das war noch vergleichsweise harmlos:

Sturmschäden

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Aber nun zu erfreulicheren Dingen. DAS Highlight des Jahres war – und nicht nur für mich – die Fußballweltmeisterschaft in Brasilien. Eigentlich interessiert mich Fußball eher nicht so. Aber bei Turnieren wie der EM oder WM packt es mich immer wieder, und ich finde, dieses Weltmeisterschafts-Turnier hatte etwas ganz Besonderes: es waren unglaublich spannende und dramatische Spiele dabei, viele unerwartete Ergebnisse, und irgendwann begann auch ich vom Weltmeistertitel zu träumen, den „wir“ gewinnen könnten. Dass ich aber das Endspiel an einem sehr ungewöhnlichen Ort schauen würde, hatte ich in meinen kühnsten Träumen nicht erwartet. Mein Highlight des Jahres: Das WM-Sofa.

Das WM-Wohnzimmer des FC Union
Das WM-Wohnzimmer des FC Union

Einquartiert hatten wir uns, wie so oft, im Hostel-Boot „Eastern Comfort“ an der Oberbaumbrücke. Dies ist mein Lieblingsplatz:

Eastern Comfort

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Im September wurde ein neues Familienmitglied begrüßt: ein 13 Jahre alter Opel Corsa, den ich im Wortsinne geerbt habe. Technisch tip-top in Ordnung, und ich hoffe, wir werden es noch ein paar Jahre miteinander aushalten:

Opel

Nach ungefähr 15 Jahren ohne eigenes Fahrzeug und vier Jahren Betteln beim Sohnemann („kann ich mal eben das Auto haben…?“) endlich wieder ein fahrbarer Untersatz. „Nimm DAS!“, sagte das Leben zu mir. Ein Auto sollte her, nachdem der Sohn ausgezogen ist, das war schon vorher klar, aber eigentlich wollte ich einen Polo, auf jeden Fall einen Viertürer, niemals Automatik, und als Farbe schon gar nicht blau… Und was habe ich bekommen??? 😉

Corsi stammt übrigens aus Berlin, und nach einer Abschiedsfahrt an allen Sehenswürdigkeiten der Stadt vorbei sind wir erst nach Hause ins Rheinland und kurz darauf zusammen nach Hamburg und zurück gefahren. Corsi hat sich tapfer geschlagen. :-)

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Im September ist endlich der zweite Band der Kitty-Geschichte herausgekommen, den man aber auch lesen kann, ohne den ersten Teil zu kennen:

Buchcover

Eine Buchbeschreibung findet sich auf einer Extraseite. Der Roman ist wie immer erhältlich bei Amazon als Taschenbuch und Kindle-Ausgabe. Für Amazon-Hasser möchte ich noch hinzufügen, dass ich viele (berechtigte) Bedenken teile, allerdings sind die Bedingungen und der Service für Selfpublisher überaus günstig. Und ich bleibe mein eigener Herr. Ich schreibe zu meinem Vergnügen, die Bücher, die mir gefallen, und wenn sie anderen auch gefallen, umso besser. :-)

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So gesehen, gab es viele Ereignisse, die mir in 2014 Freude gemacht haben, aber wenn man nach 17 Jahren turbulenter, inniger und wunderbarer Freundschaft gänzlich unerwartet einen lieben Menschen verliert, werden sie plötzlich bedeutungslos. Der Schock sitzt immer noch tief.

Danke, Thomas. Für alles.
Nüchterne Fakten bei Wikipedia: Thomas Hailer.

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Zum Schluss noch ein Linktipp (Achtung: Katzen-Content!): Tiere gehörten zu meinem Leben immer irgendwie dazu, soweit es sich neben dem Beruf machen ließ. Katzen gehen leider gar nicht, weil ich eine Katzenhaarallergie habe. Trotzdem oder vielleicht genau deswegen habe ich so viel Spaß an der WebCam von Foster Dad John. Bildschirmfoto 2014-12-15 um 21.17.32 John Bartlett lebt in Seattle/USA, ist ein Supertyp, Katzennarr und verbringt einen Großteil seiner Freizeit damit, herrenlose Katzenmütter bei sich aufzunehmen, die Jungen großzuziehen und sie schließlich in gute Hände zu vermitteln. Viele der neuen Besitzer legen anschließend Facebookseiten über ihre neuen Hausgenossen an, so dass man weiterverfolgen kann, wie es den Kätzchen ergeht. Die kleinen Katzen kann man, so lange sie bei John sind, rund um die Uhr über eine WebCam beobachten, und es macht so viel Spaß, ihnen zuzusehen, wie sie allmählich ihre Umwelt erkunden und zu gesunden und selbstbewussten jungen Katzen heranwachsen. John benennt die Würfe immer nach Charakteren aus Spielfilmen oder Serien, im Moment (Dezember 2014) sind es die „Springfield-Kittens“. Hier geht es zu Johns Live-Kamera.

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Ausblick auf 2015: Ich hoffe sehr und bin optimistisch, dass das kommende Jahr wieder ganz viel mit Büchern zu tun hat, mit eigenen und denen befreundeter Autoren. Ein fertiges Buch liegt hier noch in der Schublade, das nach Überarbeitung schreit, und ich hoffe, ich kann es im Frühjahr herausgeben. Außerdem bin ich mit großer Begeisterung Testleser für Michael Meisheit (alias Vanessa Mansini) und Elke Bergsma (die mit den Ostfriesenkrimis) und ich freue mich jetzt schon auf neue Projekte der beiden.

Große Reisen sind vorläufig keine geplant, der Zahnarzt hat meine Ersparnisse leider aufgefressen, kleinere Trips liegen aber an und werden möglich sein, so im Februar wieder zur Berlinale nach Berlin (diesmal aber vier Tage) und im März hoffentlich nach Leipzig zur Buchmesse. Ja, und ein paar Tage am Meer wären auch mal wieder schön…

Abendstimmung
Abendstimmung

Das erste Buch ist das Schwerste…

… und nun ist das zweite schon auf dem Markt. Und es gibt viele Ideen für weitere. :-)

Nach über einem Jahr Pause in der aktiven Schreiberei und nur gelegentlichen Anfällen von oberflächlichen Korrekturen ist das zweite “Baby” nun doch fertig geworden. Quasi so nebenbei. Das ist der Vorteil, wenn man als Verleger und Autor sein eigener Herr ist. Dinge können in Ruhe “reifen”, Texte können, obwohl fertig, liegenbleiben – und der zweite Band ist meiner Meinung nach besser als der erste, was ich vorher kaum zu hoffen gewagt hätte.

Im zweiten Buch geht es wieder um Kitty und Juan – aber keine Angst, es kann auch gelesen werden, wenn man den ersten Teil nicht kennt.

 

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“Darling, es wird wieder später!”

Erscheinungsdatum: 11. September 2014
Genre: Roman
ISBN-13: 978-1500844936
ISBN-10: 1500844934
Herausgeber: Sabine Kern

 
 

 

 

 
INHALT:

Frisch verheiratet und von Köln über Berlin nach London – für die Journalistin Kitty Sander verläuft das Leben auf der Überholspur, seit sie den Sänger Juan Torres kennengelernt hat. Nach der schnellen Hochzeit freuen sich beide auf ihr Zusammenleben in London und stürzen sich voller Energie in neue berufliche Aufgaben. Vor Juan und der Gesangsgruppe Con Pasion liegen anstrengende Wochen im Studio, um ein neues Album aufzunehmen, und Kitty beginnt einen Job, in dem ihre gesamten journalistischen Erfahrungen gefragt sind. Ihre Recherchen sind allerdings nicht ganz ungefährlich …

Bestellbar als Kindle-Edition (3,99 Euro) und als Taschenbuch (9,99 Euro).
 
 
In Vorbereitung:

Ein weiteres Buch, in dem es ein letztes Mal um die vierköpfige Gesangsgruppe geht, und das eher fantastisch und komisch werden wird, ist in Vorbereitung und soll Anfang 2015 erscheinen. Bisheriger Arbeitstitel: “Lost In Time”.

Friedhof Grunewald, Berlin

Ein winziger, verwunschener, fast vergessener kleiner Friedhof, der sich in Wilmersdorf zwischen zahlreiche Bahngleise gequetscht hat. Oder war zuerst der Friedhof und die Bahngleise wurden respektvoll drumherum gelegt? Ein Friedhof jedenfalls, der vor allem den Wortteil „fried“ bedient, nämlich im Sinne von „friedlich“. Von ferne hört man ab und an Züge vorbeirattern, aber das erinnert eher an Reisen, an die letzten Reisen, die hier angetreten wurden, und hat beinahe etwas Poetisches.

Ich hätte den kleinen Friedhof nie gefunden, wenn nicht ausgerechnet hier die Bestattung eines guten Freundes gewesen wäre. Ich bin überzeugt, ihm gefällt es hier. Die Mischung aus altertümlich und berlinerisch verschmitzt hätte ihm gefallen.

FI-NA-LE

Man nehme: eine Fußballweltmeisterschaft, zwei Sofas, ein Stadion, Decken, Regenschirme, ganz viel Vorfreude, kleine, internetfähige Geräte, ein Manuel-Neuer-Püppchen, eine Tüte Chips – und fertig ist das perfekte Endspiel-Wochenende in Berlin.

Alles fing ganz harmlos an…

„Ihr guckt die WM-Spiele in einem Stadion?
Wie schön, und wo? Ah, in Berlin.
Moment … Auf einem SOFA?!?“

So oder ähnlich verlief der erste Dialog mit den Kollegen der „Stern“-Onlineredaktion auf Twitter, als sie ihre Sofas im sogenannten „WM-Wohnzimmer“ in Berlin bezogen.

Den Preis für die originellste Kulisse zum „Rudelgucken“ der Fußball-Weltmeisterschaft hat zweifelsohne der 1. FC Union in Berlin verdient. Das Stadion „An der alten Försterei“ in Köpenick wie ein Wohnzimmer gestalten, Parzellen abteilen und vermieten, die Menschen ihre Sofas hereintragen lassen, eine große Videowand aufhängen – schon ist er fertig, der WM-Spaß der ganz besonderen Art. Es kann kaum einen besseren Ort zum Fußballgucken in Deutschland gegeben haben. Frühzeitig wurden die Parzellen auf dem Rasen und damit das WM-Wohnzimmer bezogen, auch von den Kollegen vom „@stern_sofa“ (die hießen übrigens auch vor der WM schon so!), die eifrig live zur WM twitterten.

Für das Endspiel, so signalisierten sie, hätten sie noch Plätze frei, und reservierten zwei Karten für den Sohn und mich. Noch war selbstverständlich keine Rede davon, wer das Endspiel bestreiten würde, hatte doch gerade erst die Vorrunde angefangen. Trotzdem freuten wir uns natürlich riesig über diese einmalige Gelegenheit und die Einladung.

Unser Lieblingsquartier in Berlin, das Hostelboat „Eastern Comfort“ an der East Side Gallery, hatte zum Glück für das Endspiel-Wochenende noch ein Zimmer, oder besser: eine Kabine frei. Gesagt, gebucht, Fahrt geplant. In der Zwischenzeit rückte die deutsche Mannschaft beim Turnier in Brasilien immer weiter vor und hatte die Vorrunde bereits überstanden. Wenige Tage vor dem magischen „13. Juli“ stand fest: wir würden tatsächlich die deutsche Mannschaft gegen Argentinien im Endspiel sehen! Das war sozusagen das Sahnehäubchen.

 

Das Endspiel

– ab hier live –

Der Endspielabend selbst beginnt mit einem gewaltigen Wolkenbruch, als wir auf dem Weg zum Stadion sind. Oh weh – das Finale unter Schirmen und Regenplanen gucken? Nicht wirklich ein Spaß… Aber Petrus hat ein Einsehen, und pünktlich fünf Minuten vor Spielbeginn hört der Regen endgültig auf.

Zunächst mit Schirmen und Plane, später ohne.
Zunächst mit Schirmen und Plane, später ohne.
Julia und Katharina auf dem Sofa nebenan
Julia und Katharina auf dem Sofa nebenan

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Und dann wird es endlich ernst. Alle stehen auf, als die Hymne gespielt wird, alle singen mit. Ein Gänsehaut-Moment. Das Spiel beginnt. Es ist eine packende Partie, nicht mit der Leichtigkeit des Halbfinals, leider, sondern Schwerstarbeit. Die argentinische Abwehr steht wie Beton, es gibt einzelne Chancen, aber kaum ein Durchkommen für die deutschen Stürmer. Der Sohn und ich twittern unter dem neu geschaffenen Account @kern_sofa mit Katharina und Julia auf dem Stern-Sofa um die Wette, dafür ist Zeit, denn die Partie bleibt vorläufig torlos. Und bleibt es. Und bleibt es so lange, dass der Gedanke „wenn Argentinien jetzt ein Tor schießt, wird es eng“ immer häufiger wird. Aber: noch ist das Spiel ja nicht aus.

Das WM-Wohnzimmer des FC Union
Das WM-Wohnzimmer des FC Union

Immer wieder sehen wir uns um. Das Publikum ist großartig, geht mit, pfeift, klatscht, jubelt, springt auf, stöhnt, singt – es ist fast so, als seien wir live in Rio dabei, und nicht in Köpenick. Ein übles Foul an Kramer wird in Zeitlupe wiederholt, mehrfach, aus verschiedenen Perspektiven. Und jedes Mal stöhnt die Menge entsetzt auf. Als Miro Klose ausgewechselt wird, stehen alle auf, jubeln ihm zu und applaudieren.

Es geht in die Verlängerung. Neue Chance, neues Glück. Der arme Bastian Schweinsteiger muss ein übles Foul nach dem anderen einstecken, aber er steht immer wieder auf, geht immer wieder ins Spiel zurück. 113. Minute: niemand hat es so richtig erwartet in diesem Moment, aber Götze bremst irgendwie den Ball mit der Brust und schießt die herabfallende Lederkugel einfach so ins Tor. TOR. TOOOOR!!!!! Alle springen auf, schreien, jubeln, trampeln, werfen in die Luft, was sie gerade in der Hand halten, die Hölle bricht los – aber eine fröhliche, glückliche Hölle. Der Jubel ist unbeschreiblich.

Niemand setzt sich wieder hin. Alle bleiben stehen, als das Spiel weiterläuft, alle fiebern dem Schlusspfiff entgegen, der jetzt, JETZT doch endlich kommen muss! Die Nachspielzeit ist längst vorbei, und immer noch hat der Schiedsrichter kein Einsehen. Den entscheidenden Pfiff schließlich hat in dem Lärmpegel keiner mehr gehört, aber alle liegen sich in den Armen, als die Spieler auf dem Bildschirm anfangen, zu jubeln. Kissen fliegen zu Hunderten in die Luft, Feuerwerk vom Stadiondach in den wolkenlosen Berliner Nachthimmel, endloser Jubel, Fahnenschwenken, alle sind unsagbar glücklich. Nach 24 Jahren holt die deutsche Mannschaft mit einem 1:0 gegen Argentinien endlich wieder den Weltmeistertitel!

 

Mitternacht

Ein perfekter Abend. Die Chipstüte, gut verborgen (denn man darf eigentlich nichts zu Essen mitbringen, sondern soll sich im Stadion verköstigen), wandert zwischen unseren beiden Sofas hin und her. Auf einem großen Bildschirm an der Seite werden Tweets zum Spiel und zum WM-Wohnzimmer angezeigt, und wir machen uns jedes Mal gegenseitig begeistert aufmerksam, wenn es wieder ein Spruch von unseren beiden Sofas auf den Bildschirm geschafft hat. Wir sind nüchtern, um uns herum wird Bier getrunken, sicherlich, aber kein Gegröle, keine Ausfälle, es ist einfach ein stimmungsvoller, wunderbarer Fußballabend, so wie er sein soll.

Ein ganz dickes und großes DANKESCHÖN nochmals an Julia und Katharina für die Einladung und die Gastfreundschaft. Julia hat für den „Stern“ einen Bericht verfasst, den man hier nachlesen kann. Auch wenn es für die beiden Arbeit war – ich glaube, es hat auch viel Spaß gemacht. :-)

Gewonnen!
Gewonnen!

 

Twitter-Nachlese (eine Auswahl)

Twitter-Nachlese
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