Diebe! Räuber!
Zeter! Mordio!

Winterfutter für die Gartenvögel ist umstritten, es gibt Befürworter und Gegner: ich gehöre allerdings zu denen, die die kleinen Piepser draußen im Winter füttern, mag nun Schnee liegen oder nicht. Ich mag es einfach, sie zu beobachten, und nach kurzer Zeit schon wissen sie ganz genau, dass es etwas zu holen gibt, dass ich nachfülle, wenn ich mich im Winter im Garten blicken lasse. Sie sitzen dann schon in den Ästen auf der Lauer und stürmen das Futterhaus, sobald ich die Tür hinter mir zugemacht habe. In England ist die ganzjährige Fütterung der Gartenvögel übrigens absolut üblich. Aber das nur nebenbei.

Meistens benehmen sich Meisen, Rotkehlchen, Amseln, Tauben und was sonst noch alles die Futterstelle aufsucht, ganz manierlich. In diesem Winter (2014/2015) allerdings stellten wir fest, dass der Appetit der Kleinen enorm zugenommen hatte. Reichten das Futter im Futterhaus, die Nuss-Stangen und Futterbälle sonst meist mehrere Tage bis zu einer Woche, so herrschte nun schon nach zwei Tagen wieder Ebbe. Und wenn man der letzten Vogelzählung des Naturschutzbundes glauben darf, haben sich die einheimischen Singvögel im letzten Jahr nicht unbedingt verdoppelt oder verdreifacht.

Und dann das: Eines Morgens war das Futterhaus (das auf einem dreibeinigen Ständer aus Birkenästen festgeschraubt ist) verdreht. Jawohl, das ganze Haus. Dazu braucht man doch einiges an Kraft. Wenn man davon absieht, dass es mit Sicherheit keine Meisen gibt, die Bodybuilding betreiben, so sprach auch eine weitere Tatsache dagegen, dass Singvögel es geschafft hatten, das Häuschen herumzudrehen: nachts schlafen sie nämlich alle.

Igel schied aus, die können nicht gut genug klettern, und halten außerdem im Januar Winterschlaf. Eichhörnchen konnten es ebenso wenig gewesen sein, die sind nicht nachtaktiv. Wer also treibt sich nachts in unserem Garten herum und verdreht Futterhäuser??

„Das war ein Waschbär“, sagte ich zu meinem Mann. Keine Ahnung, wie ich auf die Idee kam. Aber sie blieb hängen und ich googelte spaßeshalber „Waschbär“ plus Wohnort. Und siehe da: es gibt hier welche. Bisher hatte ich Waschbär-Populationen in Deutschland eher in Brandenburg und Hessen verortet, aber doch nicht am Niederrhein! Ich stöberte zwei Zeitungsartikel aus dem letzten Sommer auf, in denen berichtet wurde, dass ein Waschbär einen Garten verwüstet habe. Wie sich herausstellte, nicht nur in der selben Stadt und im selben Ortsteil, nein, gleich den übernächsten Garten. Also praktisch nebenan.

Jetzt war ich nicht mehr zu halten: eine Wildkamera musste her, eine, die auf Bewegung und Wärme reagiert und sogar in stockdunkler Nacht Aufnahmen macht. Das hatte ich schon lange vorgehabt (um endlich dahinterzukommen, wer immer die Goldfische aus dem Teich klaut), und das war die Gelegenheit. Kamera besorgt, am nächsten Abend aufgehängt, am Morgen die SD-Karte in den Rechner gesteckt, und das Erstaunen war groß!

Neben einem recht dicken Waschbären tummelten sich auch noch zwei Steinmarder am und im Futterhaus! Der Waschbär zerrte an einer aufgehängten Nuss-Stange (und verdrehte das Futterhaus gleich wieder), und die Marder turnten auf dem ganzen Gestell herum, einer saß sogar im Häuschen und fraß unseren gefiederten Gästen das ganze Weichfutter weg.

Inzwischen können wir uns auch verschiedene Vorkommnisse im letzten Sommer erklären, die uns vorher Rätsel aufgegeben hatten: eines Morgens war die Pumpe aus dem Teich gezogen und lag oben auf dem Steg. Der Johannisbeerstrauch trug im Sommer statt über 4 Kilo Beeren nur kümmerliche 1 1/2 Kilo, obwohl er voll in Blüte gestanden hatte. Plattgetretenes Gras am Teichufer. Ein halb verzehrter (und natürlich toter) Frosch auf der Wiese. Und und und.

Meine Theorie ist, dass dem Waschbären im letzten Sommer durch den Sturm Ela seine Heimat geraubt wurde und er sich ein neues Revier gesucht hat. Waschbären schlafen nämlich gerne in Baumhöhlen, und viele hundert Bäume im Umkreis waren bei dem Unwetter zerstört worden.

Wie geht es nun weiter? Waschbären können recht aufdringlich und zerstörerisch sein, wenn sie Zugang zum Haus, Keller oder Gartenhaus erhalten. Da wir immer alles gut abschließen und wegschließen, besteht kaum Gefahr, dass wir eines Nachts ein zähnefletschendes Raubtier (und so klein sie sind, das sind Waschbären nun mal) in der Wohnung haben. Andererseits sind sie auch sehr scheu, unser Bursche haut beim gerinsten Geräusch sofort ab, deswegen ist die Gefahr wohl sehr gering. Und leider: Waschbären sind jagdbares Wild, wie es im Amtsdeutsch heißt. Deswegen fürchte ich gleichzeitig um den pelzigen Gesellen, der ja genau genommen nichts Böses tut – außer Rasen umgraben und Futterhäuser verdrehen. Wir werden sehen, wie es weitergeht und was ihm noch alles an Unfug einfällt. Die Winterfütterung wird jedenfalls zum Frühjahr eingestellt. :-)

(to be continued)