Man geht in den anderen Raum, und kaum dort angekommen, weiß man nicht mehr, was man dort tun wollte. Oder man schreibt Sachen auf den Einkaufszettel und vergisst trotzdem, sie mitzubringen. Der Name eines weltbekannten Schauspielers fällt einem plötzlich nicht mehr ein, obwohl man das Gesicht deutlich vor seinem inneren Auge sieht. Oder ein bestimmter Film, ein Buch, ein Song, ein Komponist, ein Politiker. Man bringt Jahreszahlen, Erinnerungen und Ereignisse durcheinander. Verlegt seine Brille, seinen Hausschlüssel. Dinge behalten oder gar neu lernen fällt immer schwerer und dauert länger.
Das alles sind Fehlleistungen des Gehirns, die auch jungen Menschen passieren, aber die sich häufen, wenn man älter wird. Mit „älter“ meine ich: jenseits der fünfzig. Das ist auch das Alter, in dem man anfängt, sich Sorgen zu machen. Ist das schon beginnende Demenz? Oder gar Alzheimer? Bin ich schon alt, nimmt mich niemand mehr ernst?
In der Zeitung habe ich von diesem Buch gelesen und es mir aus Neugier gekauft. Ich erwartete Aufschluss darüber, ob meine Beobachtungen an mir selbst und anderen zutreffen, und vor allem: ob ich mir Sorgen machen muss.
Eines vorweg: Sorgen unnötig, zumindest wenn man nicht eine ausgeprägte genetische Disposition für Alzheimer und Co. mitbringt. André Aleman erzählt fast im Plauderton über die Funktionen des Gehirns, und wie sie sich im Laufe des Lebens verändern. Und nicht nur zum Schlechten! Wenn ein älterer Mensch mehr Mühe aufwenden muss, um neue Begriffe oder Tätigkeiten zu lernen, Entscheidungen zu treffen, so hat das (auf einen ganz einfachen Nenner gebracht) einfach den Grund, dass er länger braucht, um abzuwägen. Um eine Entscheidung zu treffen, geht das Gehirn alle Erfahrungen und Gelerntes des bisherigen Lebens durch, und das dauert halt länger als bei einem jungen Menschen. Vergleichbar etwa mit einem Rechner, dessen Festplatte schon ziemlich voll ist, der wird auch langsamer. Aber die Wahrscheinlichkeit, unter all den gespeicherten Dateien diejenige zu finden, die in der konkreten Situation die richtige ist, ist sehr viel größer. Kurz gesagt: junge Menschen handeln impulsiver, ältere Menschen weiser.
Die wichtigsten Erkenntnisse eines jeden Kapitels fasst Aleman am Schluss immer zusammen. Sehr praktisch für ältere Menschen, die sich dann nur noch diese Merksätze einprägen müssen. Und als Fazit des Buches lassen sich vor allem drei Dinge herausstellen, die dazu beitragen, dass man auch bis ins hohe Alter geistig aktiv und zurechnungsfähig bleiben kann:
- Regelmäßige Bewegung, dreimal die Woche eine halbe Stunde. Das kann ein Spaziergang im schnellen Tempo sein, Schwimmen, Radfahren, sogar Gymnastik, Pilates, Dehnübungen. Hauptsache: Bewegung und leicht ins Schwitzen geraten.
- Das Gehirn beschäftigen. Bücher lesen. Eine neue Sprache lernen. Ins Museum gehen. Immer wieder Dinge tun, die man noch nicht getan hat. Malen, musizieren, eben alles, was den Kopf beschäftigt.
- Gute, maßvolle Ernährung und reichlich trinken.
- Wer mag: Religion und Spiritualität. Religiöse Menschen bleiben bis ins hohe Alter erstaunlich fit.
André Adelman ist Professor für Neuropsychologie an der Universität Groningen und ein international renommierter Hirnforscher.