Es gibt Dinge, die fügen sich scheinbar zufällig zusammen – und alles passt. So mit der Musikgruppe, die ich vor einiger Zeit schon für mich entdeckt, aber jetzt erst so richtig schätzen gelernt habe. Sie passt für mich genau in eine Zeit, wo ich die schrillen Figuren in allen Medien gründlich satt habe, wo ich mich rückbesinne auf eine Zeit, in der man mit wenigen Mitteln viel gemacht hat (und nicht umgekehrt), in der Wissen, Respekt und Können zählte und nicht die möglichst laute und bunte Außendarstellung. Eine eher introvertierte Welt, aber so bin ich eben. Das klingt jetzt ein bisschen nach „früher war alles besser“, ist aber nicht gemeint. Im Fall von Frontm3n steckt auch viel Neues drin, und auch hier fügt sich alles auf einmal zusammen, und das fasziniert mich. Aber der Reihe nach.
Alles fing vor ungefähr anderthalb Jahren an. Ich erwischte rein zufällig ein Video der Gruppe Frontm3n im Internet, dieses hier:
Ich liebe Gitarren, und die Leute, die sie wirklich spielen können. Ich hab selber viel zu lange kein Instrument mehr in der Hand gehabt, und ich war wie elektrisiert, als ich die drei zum ersten Mal hörte. Dass es sich bei „Love is like Oxygen“ um einen alten „Sweet“-Song handelte, wusste ich gar nicht, ich mochte einfach den Sound und dass drei Gitarren klingen können wie eine ganze Band. Unglaublich.
Ich forschte weiter. Wer sind diese Frontm3n? Und wieso habe ich von ihnen vorher noch nie gehört? Die Eckdaten waren schnell herausgefunden:
Peter Howarth ist Frontsänger der „Hollies“, Pete Lincoln war bei „Sailor“ und „Sweet“ und Mick Wilson bei „10CC“ – alles Bands, die jeder, der in den 70er Jahren seine Teenie-Zeit hatte, todsicher kennt. Peter, Pete und Mick sind aber erst später in diese Bands eingestiegen und gehören nicht zur Originalbesetzung. Immerhin spielen sie aber auch schon seit 15 Jahren (Peter und Pete) bzw. 20 Jahren (Mick) in ihren Bands, sind also „altgediente“ Frontsänger. Befreundet sind sie seit etwa 25 Jahren. Damals waren alle drei Backgroundsänger bei Cliff Richard, waren mit ihm auf Tour und haben sich in dieser Zeit angefreundet.
Was machen sie?
Frontm3n spielen alte Songs, von Sweet, den Hollies, von Sailor, von 10CC, auch von Cliff Richard und Roy Orbison, den Peter in London in einem Musical auf der Bühne verkörperte. So haben sie zumindest vor etwa drei, vier Jahren angefangen. Sie wollten endlich mal was zusammen machen, etwas anderes. Alles war zunächst als kleines Projekt geplant, „just for fun“, so sagen sie in Interviews, und starteten mit zwei Konzerten, um auszutesten, wie sie ankommen. Daraus wurde eine Tour, bei der ich im letzten Jahr schon einen Auftritt sehen konnte. Damals war alles noch etwas minimalistisch, sparsame Deko, und, wenn ich mich richtig erinnere, fast ausschließlich die alten Songs. Mittlerweile haben sie eine Fangemeinde auch aus jungen Leuten erobert, die ständig größer wird. Fast alle Konzerte der Tour sind ausverkauft. Und sie haben etliche eigene Songs im Repertoire, die genauso gut klingen und sich nahtlos in den Stil einfügen, so dass man oft gar nicht mehr weiß, ob alt oder neu.
Hier ein Video mit einem eigenen Song und dazu auch ziemlich witzig gemacht:
Was können sie?
Ganz viel. Singen. Und vor allem Gitarre spielen. Auch andere Instrumente, hauptsächlich aber Gitarre. Und was sie auf den Saiten zaubern, ist einfach umwerfend! Stimmlich ist Peter der „Belcanto“, wie ich in einem Artikel sehr passend gelesen habe, und kassiert für seine Solonummer mit „He ain’t heavy, he’s my brother“ regelmäßig standing ovations. Pete hört man die vielen Jahre mit durchgeknallten Bands auf der Bühne am deutlichsten an, aber ich mag diese sanfte, leicht angerauhte Stimme sehr gern. Mick ist das Stimmwunder, der von Falsett bis Bass alles drauf hat und sich solo an eine mörderische Version von „Donna“ (10CC) heranwagt. Dazu sind alle drei leidenschaftliche Musiker – und es geht nur um Musik, „no politics, no drama“ (Mick), haben viel Humor und Spaß auf der Bühne und das überträgt sich fast sofort ins Publikum.
Musikalisch ist es eine Rückkehr in meine Jugend – das dachte ich zumindest anfangs, aber das stimmt so nicht ganz. Denn die alten Songs höre ich schon lange nicht mehr, außer mal zufällig im Radio. Die Frontm3n schaffen es aber, durch die Reduzierung auf die bloßen Gitarrentöne, durch wunderbare Harmonien im Gesang das Wesentliche aus den Songs herauszukitzeln, man hört die altbekannten Melodien wieder wie neu – und zumindest ich bin schwer begeistert und mag sie plötzlich wieder. Sogar den uralten Schinken „Carrie“ von Cliff Richard (der noch vor meiner Zeit war und den ich nie mochte) höre ich inzwischen sehr, sehr gern – in der Frontm3n-Version.
Man darf nicht vergessen, dass die Bands, die die Songs damals gesungen haben, Jungspunde von Anfang 20 waren. Bei den Frontm3n fließen jetzt die ausgeprägten Persönlichkeiten und die jahrzehntelange Bühnenerfahrung mit ein. Außerdem klingen Texte, die von Liebe, Sehnsucht und Zusammenhalt erzählen, gesungen von 60jährigen Männern plötzlich ganz anders, irgendwie sehr berührend.
Was hat sich denn seit dem ersten Hören geändert?
Alles. Aus Interesse ist Begeisterung geworden. Wie die drei Gitarre spielen, nicht nur jeder einzelne, sondern vor allem, wie perfekt sie zusammenspielen, ist unüberbietbar. Bühnenbild und Beleuchtung, daran haben sie ordentlich gearbeitet im letzten Jahr, das ist jetzt ein richtig runder, wunderbarer, perfekt zu den dreien passender Rahmen.
Ich hatte das große Glück, die drei Frontm3n persönlich zu treffen, bei gleich drei Konzerten im Januar und Februar – und sie sind wirklich genau so, wie ich sie mir vorgestellt hatte: total cool und locker drauf, bodenständig, freundlich, offen, gänzlich ohne Berührungsängste oder Allüren. Pete wirkt manchmal ein bisschen „grumpy“, ist ruhig, aber superlieb, wenn man interessierte Fragen stellt. Peter ist der Zurückhaltende, aber wenn er einmal redet, findet er den Schluss nicht , und Mick der fröhliche, offene, immer für einen Spaß zu haben. Auch die Persönlichkeiten ergänzen sich also total gut. Dazu kommt, dass sie den Rahmen ihrer Auftritte bewusst (und wohltuend!) klein halten: nicht die ganz großen Hallen (was mit akustischen Gitarren ohnehin schwierig wäre), sondern überschaubar, den Ton sehr sorgfältig ausgesteuert und nicht einfach nur laut. Und wenn man eine der wenigen Karten für ein Meet&Greet und den Soundcheck ergattert, ist die Gruppe maximal 15 Personen groß, und es gibt Fotos, natürlich, aber man kann auch alles fragen und sie signieren alles. Auch kleine Hunde. Völlig normale Leute also. Was die Hemden auf der Bühne angeht, vielleicht manchmal ein wenig schräg – nun ja, Engländer… Andererseits sind genau die inzwischen schon ein Markenzeichen geworden.
Schön und gut, aber bist du nicht zu alt für „fangirling“???
Nein. Man nie zu alt, sich für Dinge zu begeistern. Oder man sollte es nicht sein, sagen wir mal so. Vielleicht mag ich Frontm3n so gerne, weil ich endlich mal eine Musikgruppe erwischt habe, die ungefähr in meinem Alter ist, da gibts ja nicht so viele . Und sie beweisen täglich auf ihrer Tour, dass man auch mit einem bereits gut gefüllten Leben um die 60 noch mal richtig durchstarten kann. Das gibt enorm Auftrieb. Diese Musik zu hören, tut mir einfach gut und macht Laune.
Jedenfalls habe ich meine alte Gitarre wieder rausgekramt, übe jeden Tag ein bisschen, bin total eingerostet, aber bleibe dran und es wird ganz langsam besser. Aber hey: der Spaß zählt. Und dass man immer wieder was Neues versucht.
Und dafür: danke, Frontm3n.