Meine erste große Reise, ohne Familie und auf eigene Faust, führte mich mit Rucksack und Interrail-Ticket quer durch Skandinavien nach Finnland. Das war 1978, ich ging noch zur Schule und hatte mir das Geld für diesen Trip in den Sommerferien mit Fließbandarbeit in einer Kosmetik-Fabrik verdient. Rückblickend weiß ich, wie viele wertvolle Erfahrungen man auf einer solchen Reise sammelt, wie tief sich Erlebnisse einprägen und wie gern man sich später daran erinnert – auch und manchmal gerade dann, wenn es Pannen gab. Damals war ich wirklich völlig auf mich allein gestellt, konnte aus Kostengründen nur alle paar Tage mal zu Hause anrufen oder eine Postkarte schicken.
Seit Jahren lag ich nun dem Sohn in den Ohren: reise! Fahr ins Ausland! Sieh Dich ein bisschen um! Man lernt nirgends und niemals so viel wie beim Reisen auf eigene Faust, und wenn man sich in einer fremden Sprache verständlich machen muss. Und wo sonst hat man so unerwartet unterhaltsame Reisegefährten, so aufregende, lustige, zauberhafte Begegnungen mit fremden Menschen, die einem weiterhelfen, zum Lachen bringen oder im Ernstfall alle Wege ebnen.
Und nun war es endlich so weit. Heiß ersehnt, viel diskutiert und lange geplant: der Sohn startete eine zweiwöchige Kalifornien-Reise. Für viele mag der Sprung über den großen Teich zum normalen Urlaubs- oder auch Dienstreisealltag gehören, für einen jungen Menschen, der noch nicht allzulange über ein annehmbares eigenes Einkommen verfügt, ist es etwas Besonderes.
Aber wie anders läuft heute die Vorbereitung eines solchen Trips ab. Für diese „Digital Natives“ ist „Reisebüro“ ein Fremdwort. Auskünfte werden online in Foren und Nachschlagewerken gesucht, Flüge, Wohnungen und Mietauto quasi nebenbei übers Internet gebucht. 1978 unvorstellbar. Er werde mich auf dem laufenden halten, versprach der Sohn. Und hielt Wort, schon bevor es überhaupt losging. Es fing damit an, dass mein iPhone mir plötzlich meldete, dass mein Sohn einen Fotostream eingerichtet hat für seine Amerikareise, so dass ich sofort alle Fotos sehen kann, die er hochlädt, ohne darauf warten zu müssen, dass er sie twittert oder über Facebook schickt oder noch schlimmer: erst mal nach Hause kommen und den Film entwickeln lassen muss. Wie ich, 1978.
Die Anreise verlief von Düsseldorf über Paris, und von dort nonstop nach San Francisco.
Natürlich weiß ich, dass so gut wie jeder Flughafen inzwischen über eine Internetseite und eine aktuelle Ankunft- und Abflugtafel verfügt, so dass ich verfolgen kann, ob der Flieger pünktlich gestartet und gelandet ist. Aber es geht noch komfortabler: mit „Flightradar„. Ich kann jederzeit während der Reise sehen, wo der Flieger gerade ist, kann Screenshots machen, kann parallel am Ziel zur Bestätigung auf die Ankunftstafel des Flughafens schauen, es ist unglaublich. Die nächste Stufe wird dann ein Live-Bild aus dem Cockpit sein oder so. Als Simulation gibt es auch das schon.
Einziger Haken: über Grönland verliert sich das Signal, und was ich 1978 gar nicht erst erfahren hätte: die Maschine ist für eine Weile nicht auf dem Schirm. Zumindest nicht beim „Flightradar“. Kein Grund zur Beunruhigung, sage ich mir, in Grönland stehen vermutlich nicht so viele Stationen herum, die die Signale weitergeben. Und richtig: kaum nähert sich der Air France-Flug dem nordamerikanischem bzw. kanadischen Festland, ist das winzige Maschinchen auf meinem Bildschirm wieder da.
Die ersten Fotos sind inzwischen auf dem Fotostream eingelaufen und ich bestaune das Mietauto, mit dem mein Sohn auf der anderen Seite vom Globus gerade herumfährt, und die Wohnung, die er in San Francisco für einige Tage bewohnt.
Schöne neue Welt… 😉