In den meisten Fällen weiß niemand – außer dem Autor selbst – wie viele Seiten für ein Buch tatsächlich geschrieben wurden und wie viele davon überhaupt nur im fertigen Buch gelandet sind. Ich behaupte mal: die Hälfte. Höchstens. Vielleicht auch nur ein Drittel.
Es gibt ganze Szenen, die fertig geschrieben sind, aber wegfallen (müssen), weil sie die Handlung nicht voranbringen. Es gibt auch Szenen, die zum Ausprobieren geschrieben werden. Kann ich das so ausdrücken, wie ich es vor meinem geistigen Auge sehe? Vieles wird daraufhin verworfen, weil es niedergeschrieben dann doch nicht so gut klingt, etwa kitschig oder zu langweilig. Oft ist es dann so, dass genau die Zeilen, die einem so schwer fallen, tatsächlich gar nicht in die Geschichte passen.
Manchmal schreibe ich auch Szenen mehrfach um, weil sie den Kern der Sache nicht treffen, oder weil die Hauptfiguren es sich anders überlegen.
Es kommt auch vor, dass die Handlung sich ändert. Viele Autoren kennen das: wenn man die Figuren erst einmal so weit hat, dass sie von selbst laufen, machen sie, was sie wollen, und man kann es nur noch mitschreiben, aber nicht mehr beeinflussen. Wichtig ist, dass sie das vorher gesteckte Ziel am Schluss erreichen, aber der Weg dorthin ist manchmal verworren. Das bedeutet auch, dass man vorher entworfene Dialoge oder Handlungen, die erst für später im Buch geplant waren, in die Tonne kloppen kann.
Genau das sollte man aber nicht tun: in die Tonne kloppen. Ich habe immer die verschiedenen Stadien eines Buchs noch abgespeichert und kann mir Szenen, die ich im Verlauf des Schreibens verworfen habe, wieder hervorholen.
Im konkreten Fall ist es so, dass in meinen beiden ersten Büchern der Naturforscher Ramón eine wichtige, aber keine tragende Rolle spielt. Er lebt aber in einer wunderschönen Umgebung (Kanareninsel La Gomera), ist Naturforscher (und Heilkundiger) und erlebt eine Menge spannender Dinge, die ich bisher nicht berücksichtigen konnte, weil er nicht die Hauptperson war.
Aber das kann sich ja ändern…