Tour-Ende

“Diese Tour war für mich sehr, sehr eindrucksvoll”, sagte Brad und machte eine Pause. Juan stand mit seinem Whisky in der Hand ein wenig abseits und beobachtete ihn. Der Tourmanager von “Con Pasion” hatte wieder ziemlich einen in der Krone. Brad stand bei seiner Ansprache an die Mitarbeiter neben seinem Stuhl, schwankte leicht hin und her und stützte sich mit einer Hand auf dem Tisch auf.

“Als man mir vor der Tour gesagt hat, ich würde mit ein paar klassischen Sängern unterwegs sein, habe ich mich innerlich zurückgelehnt und gedacht, das wäre der leichteste Job auf der Welt. Und der bestbezahlteste.” Alle lachten.

“So kann man sich täuschen!“ rief Brad, „von Wasserrohrbrüchen, Sängern, die beinahe von der Bühne fallen, abgesagten Konzerten, Computerspielsüchtigen, Raubüberfällen, Spontan-Flügen zu Mama…” Francois wurde knallrot, “…und Pyjamaparties in Japan hat mir vorher keiner etwas gesagt.” Wieder Gelächter und Stimmengewirr.

“Aber wisst Ihr was?” rief Brad und hieb mit der Faust auf den Tisch, “es hat verdammt nochmal SPASS gemacht!!!”

Alle johlten und pfiffen und trampelten und applaudierten, und die beiden Barkeeper hinter der Theke warfen sich amüsierte Blicke zu. Diese Stimmung klang nach Umsatz.

“Und weil Ihr alle so brav wart, gibt es jetzt noch ein paar Runden auf Kosten des Hauses“, sagte Brad, „Pete Langdon höchstpersönlich hat mich gebeten, Euch am letzten Abend nicht nur zum Essen einzuladen, sondern auch ordentlich Getränke auszugeben.”

Brad setzte sich wieder auf seinen Stuhl und hielt sich die Ohren zu, als alle johlten und durcheinander riefen und zur Theke drängten, um sich mit Hochprozentigem zu versorgen.

Juan setzte sich in Bewegung und kam neben Brad zum Stehen. “Brad?” Brad schüttelte den Kopf und sah nicht auf. Juan stutzte, zog einen weiteren Stuhl unter dem Tisch heraus und setzte sich neben ihn. “Hey, Großer, was ist los?”

“Ach nichts”, sagte Brad dumpf von unten herauf, “kleiner Katzenjammer. Der ist morgen wieder weg.”

“Jetzt sag bloß nicht, Du wirst uns vermissen”, grinste Juan.

Brad sah auf, seine Augen schimmerten verdächtig. “Doch”, sagte er, „Ihr seid zwar alle vier unsägliche Rampensäue, aber zuerst einmal seid Ihr normale Menschen. Es hat nicht nur Spaß gemacht, mit Euch zusammenzuarbeiten, es war… nun ja… schön. Als ob wir alle eine Familie wären.”

Juan sah Brad nachdenklich an und deutete auf dessen Glas. “Betrinkst Du Dich deswegen so oft? Fühlst Du Dich einsam?”

Brad zerwühlte mit einer Hand seine Haare und fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn, um den Schweiß abzuwischen. “Erzähls keinem weiter, ja?”

“Bestimmt nicht. Was hast Du als nächstes vor?”

Brad zuckte mit den Schultern. “Erst einmal nach Liverpool zurück. Ab Januar bin ich mit “Inoculus” auf Tour, ein halbes Jahr duch die Staaten.“ Brad versuchte ein Grinsen und rieb sich die Hände. „Endlich wieder ramponierte Hotelzimmer, Schlägereien, Mädchen, Koks. Ich freu mich richtig drauf.”

Juan legte ihm einen Arm um die Schultern. “Brad, ich möchte mich bei Dir bedanken. Es hat Spaß gemacht, mit Dir unterwegs zu sein.”

Brad sah ihn mit trüben Augen an. “Wirklich?”

“Wirklich. Und wenn ich nach dem halben Jahr in den Staaten irgendetwas für Dich tun kann, lass es mich wissen.”

“Du kannst jetzt etwas tun”, sagte Brad und starrte sein Glas an.

“Ja?” fragte Juan erfreut, “was denn?”

Brad drehte den Kopf und ließ seinen Blick suchend über die lärmende Menge gleiten. Dann nickte er mit dem Kopf in Richtung Christine, die mit zwei Musikern etwas abseits von der Theke stand.  “Christine”, sagte er. “Sie hat noch keinen neuen Job. Sie fliegt morgen nach London zurück und will  suchen. Ich dachte, sie könnte vielleicht im Studio arbeiten, wenn Ihr mit dem neuen Album anfangt.”

Juan sah nachdenklich auf Christine. Die Idee war sehr gut. Nein, sie war hervorragend. Christine war genau die Richtige, um den schwierigen Produktionsprozess im Studio zu begleiten. Sehr fleißig, intelligent, humorvoll, mit einem Blick fürs Wesentliche und im Mitdenken immer einen Schritt voraus. Und sie stellte sich selber nie in den Mittelpunkt, sondern für sie zählte ausschließlich das Produkt.
“Ich werde sehen, was sich machen lässt”, sagte Juan, “Du weißt, dass die im Studio normalerweise ihr festes Personal haben, aber…”

“Ach komm, das kriegst Du doch hin.”

Juan grinste. “Warum liegt Dir so viel an Christine?”

“Das geht Dich nichts an. Und es ist nicht gegenseitig.”

Juan kicherte und stand auf. “Na schön. Ich werde Pete morgen anrufen, er soll mit dem Studio sprechen.”

“Danke”, sagte Brad und widmete sich wieder seinem Scotch. Er sah, dass Juan zu den anderen hinüber ging und ein paar Worte mit Christine wechselte. Ihr Gesicht leuchtete auf und sie nickte. Christine war bestimmt die Richtige für einen der Jungs. Juan war jetzt versorgt, aber die drei anderen waren ebenfalls noch auf der Suche. Sie würden schon noch merken, was Christine für ein Juwel war. Brad war zufrieden mit sich.

DoppeltDasBuch: Vaterschaft

Juan drehte sich zu Michael herum. Der Anwalt saß gelassen am Schreibtisch, hatte wie immer die Hände über dem Bauch gefaltet und sah ihn abwartend an. Juan fiel auf, dass Michael in letzter Zeit an Gewicht zugelegt hatte. Oder lag es daran, dass er selbst sich mehr im Fitnessstudio abmühte, seit er mit Kitty zusammen war, und durchtrainierter war? Michael sah ihn aufmerksam an und wartete auf das Ende der Geschichte.

„Dass ich meinen Pass verloren hatte, habe ich erst gemerkt, als wir wieder nach Spanien reisen wollten. An der Grenze zu Frankreich haben sie mich nicht durchgelassen. Mit vielem Hin und Her und ein paar kleinen Tricks hat es dann doch geklappt.“

Juan kam zum Schreibtisch zurück, ließ sich in den Besuchersessel fallen und fuhr sich mit der Hand über die Augen. „Michael, das hat mir noch gefehlt. Sie hätte sich keinen schlechteren Zeitpunkt aussuchen können.“

Michael musterte ihn. „Wenn Du willst, kann ich das für Dich regeln.“

„Ja, bitte, mach das“, sagte Juan erleichtert, „was will sie denn eigentlich?“

„Sie will Dich sehen, kennenlernen. Sie schreibt, sie hat schon einmal einen Versuch gemacht, aber Du hättest abgelehnt.“

Juan runzelte die Stirn. „Ganz bestimmt nicht, daran würde ich mich doch erinnern. Und sehen? Muss ich das?“

Michael zuckte mit den Achseln. „Nein. Aber vielleicht möchtest Du es ja. Am besten denkst Du in Ruhe darüber nach. Ich weiß nicht, ob diese Johanna außerdem Geld von Dir will. In diesem Falle solltest Du feststellen lassen, ob Du wirklich der Vater bist. Ich muss auch klären, inwieweit sie denn überhaupt finanzielle Ansprüche hätte, und…“

„Stop!“ rief Juan, „mir schwirrt der Kopf!“

„Wie auch immer“, sagte Michael und lächelte beruhigend, „die Vaterschaft kann man ja heutzutage zweifelsfrei feststellen.“

Juan schwieg und lehnte sich in seinem Sessel zurück. Ihm war plötzlich mulmig.

„Da bin ich nicht so sicher“, sagte Juan.

DoppeltDasBuch: Edit ist kein Frauenname

Es fehlen immer noch Kapitel. Genauer gesagt, sieben von insgesamt 41. Sie liegen in Fragmenten bereits vor, ich muss nur umsortieren, neu zusammenfügen, straffen. Und drei Kapitel definitiv noch neu schreiben. Was darin vorkommen soll, weiß ich aber schon ganz genau. Steffi zum Beispiel. Sie hat alle bisherigen Kürzungen und Änderungen überstanden. :-)

Trotzdem kann es nicht schaden, den Hals zu recken und mit einem Auge auf das anschließend fällige Editieren zu schielen. Dieses Werk wurde vom Schreiblabor empfohlen – Wochenendlektüre:

Schreibstil-Ratgeber
Schreibstil-Ratgeber

DoppeltDasBuch: Schneeflöckchen

Ich weiß nicht, wie oft ich schon angesetzt habe, mir mit Hilfe der sogenannten “Schneeflockenmethode” einen Überblick zu verschaffen, aber diesmal muss ich wirklich dranbleiben. Ich bin inzwischen bei Schritt acht von insgesamt zehn und wirklich sehr erstaunt, wieviel das bringt.

Schritt acht lautet übrigens:

Die Handlungszusammenfassung aus Schritt 6 unterteilst du jetzt in Szenen und arbeitest sie in eine Tabelle um. Lege jeweils eine Spalte für den Charakter an, aus dessen Perspektive du erzählst und eine für die Handlung. Du kannst noch mehr erstellen, zum Beispiel für den Ort der Handlung, die Zeit, das Ziel der Szene, die Motivation … . Leg so viele Spalten an wie du brauchst! Jetzt sollte die Handlung überschaubar vor dir legen und Änderungen lassen sich durch Verschieben der Szenen einfach bewerkstelligen. Änderungen kannst du nach wie vor einarbeiten.

Tabelle. Ich. Aber es zwingt zum Denken und Dranbleiben. Und wer wie ich versucht, nach Feierabend, in der Bahn oder am Wochenende zu schreiben, braucht solche Krücken. Unbedingt.

DoppeltDasBuch: Interview

Manchmal reicht google alleine nicht – man braucht den Rat von Fachleuten. Oder will sich zumindest vergewissern, dass man nicht den größten Blödsinn schreibt.

Mein Held Ramón sitzt also seit Jahr und Tag auf La Gomera, bereitet Arzneien zu und versorgt die Bauern der Umgebung mit seinen Tinkturen, Salben und Kräutertees.

Das habe ich  mir alles nur ausgedacht – aber ist das überhaupt denkbar? Kann er dort wohnen, wo er wohnt? Gibt es solche Pflanzen überhaupt? Ist es möglich,  den einen oder anderen Weg wirklich zu Fuß zurückzulegen? Wie werden in der Natur gesammelte Pflanzen behandelt, um sie zu konservieren?

Also fragte ich bei einem netten Abendessen einen Experten um Rat. Doktor der Biologie, Buchautor und Fernsehmoderator, der gleich mit drei dicken Büchern unter dem Arm erschien und sich außerdem auch noch auf La Gomera und mit der Flora der Kanarischen Inseln auskennt. Ein Sechser im Lotto.

Zwei Dinge haben mich vor allem erfreut und erstaunt zugleich: Meine bisherigen Recherchen waren offenbar gediegen genug, dass sie sogar den kritischen Augen des gelernten Biologen gefielen. Alles prima, was ich mir da zusammengesucht und ausgedacht habe. Und das ist auch alles plausibel. Und wenn ich noch eine Pflanze mit bisher unbekannter medizinischer Wirkung suche…

“…dann nimm ein Wolfsmilchgewächs, da gibt es so viele Unterarten, die kann kein Mensch alle kennen. Da kannst Du ruhig eine erfinden.”

Das werde ich auch ruhigen Gewissens tun. Schließlich wird es ein Roman und keine wissenschaftliche Abschlussarbeit. Phantasie muss erlaubt sein.

Der zweite Punkt: Als ich so von der Story erzählte und den Zwillingen, und einer davon Sänger und der andere auf der Insel – da kam die erstaunte Frage: “Ja, über wen von beiden schreibst Du denn jetzt Dein Buch??”

*schluck*

Die Frage ist sicher nicht ganz unberechtigt. Muss ich womöglich die ganze Geschichte nochmal umdenken, umstricken, verwerfen, oder gar: NEU schreiben? Wie ich inzwischen diversen Autorenforen und dortigen Einträgen entnommen habe, ist das erste Buch immer mindestens dreimal umgeschrieben worden, bevor es veröffentlicht wurde.

Dann hab ich ja noch ein paar Fehlschüsse frei…

Ach ja, und die dicken Bücher habe ich mir erst einmal ausleihen dürfen. ;-)

DoppeltDasBuch: Twitter

Ich liebe es, meine Einfälle oder Gedanken, die ich gerade in ein Kapitel fasse, auszugsweise meinen Twitter-Freunden an den Kopf zu werfen. Meistens kommen sehr lustige oder anregende Kommentare. Und wir pflegen über die Charaktere im Buch so zu reden, als seien sie lebendig. Nun, für mich sind sie das auch. Irgendwie.

Hier ein Beispiel – wie immer bei Twitter von unten nach oben zu lesen. Gesprächspartner diesmal: eine Lehrerin und eine Autorin.

Tweets 04.06.2012, 1.30am

Tweets 04.06.2012, 1.30am

DoppeltDasBuch: Sortieren

Sortieren…

Ich habe gerade im Regal neuen Platz geschaffen für alle Unterlagen, mit denen ich mich im Zuge meiner Recherchen für das Buch beschäftigt habe. Und einen Ordner angelegt für die ganzen Ausdrucke, die ich immer in der Bahn lese, als Hintergrundinformation. Und ich habe nicht schlecht gestaunt, was da alles zusammenkommt.

Unter anderem: Eine Klimatabelle Schottland, Loch Lomond. Wikipedia-Artikel über Schottland. Eine Internetseite einer Whiskydestillerie. Lange Artikel über Trauma, Bangkok und Spiegelneuronen. Informationen über Hochzeiten in England. Medizinische Artikel über Mariendistel, Arsenvergiftung, Heilkräuter, Phytotherapie, Polyphenole. Viele Karten, Internetseiten und Bücher über La Gomera und die kanarischen Inseln. Noch mehr Artikel über Arsen und seine Wirkung. Ein Lageplan des St. Thomas Hospitals in London. Intensivstation.

Und ganz zum Schluss fiel mir das hier in die Hände: das war der erste grobe Plan eines Ablaufs der Geschichte schlechthin. Ein Zeitstrahl. Hat jetzt nur noch ideellen Wert, denn vieles ist inzwischen ganz anders. Aber zur ersten Orientierung war’s nicht schlecht:

©doppeltdasbuch.wordpress.com

© Sabine Kern

DoppeltDasBuch: Recherche, Polyphenole

Polyphenole sind aromatische Verbindungen, die zu den sekundären Pflanzenstoffen gerechnet werden. Natürliche Polyphenole kommen in Pflanzen als bioaktive Substanzen wie Farbstoffe, Geschmacksstoffe und Tannine vor.
Viele Polyphenole gelten als gesundheitsfördernd. Pflanzen mit hohem Polyphenolgehalt sind beispielsweise die Apfelbeeren, die Blätter und Trauben der Weinreben, auch im Rotwein, die Schale und das Fruchtfleisch der Mangostanfrucht (Garcinia mangostana), der Saft des Granatapfels (Punica granatum), der unter anderem Punicalagin, Ellagsäure und Gallussäure enthält, Ginkgo, Tee, Zistrosen, die Samen von Perilla (Perilla frutescens, auch „Schwarznessel“ oder irreführend „Wilder Sesam“ genannt), Chinesische Zitronenmelisse. Darüber hinaus werden Polyphenole (Flavonoide) aus der Rinde von Pinien und aus Lärchenholz für den Einsatz in der Medizin extrahiert.
Einige Polyphenole wirken unter anderem entzündungshemmend und krebsvorbeugend. Im Rahmen verschiedener Studien mit Granatapfel-Polyphenolen wurde ein gehemmtes Wachstum von Krebszellen  beobachtet. Flavonoide und Anthocyane vermindern Fettablagerungen (Plaques) in den Blutgefäßen und beugen damit der Arteriosklerose vor.
Weiterhin konnte in einer Studie nachgewiesen werden, dass bei regelmäßigem Fruchtsaftkonsum das Risiko für eine Alzheimererkrankung um bis zu 76 % gesenkt werden kann, wofür ebenfalls Polyphenole verantwortlich gemacht werden.

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Polyphenole

DoppeltDasBuch: Grundriss

Auch so kann die Vorarbeit für ein Buch aussehen: mir vorzustellen, wie die Menschen leben, die ich beschreibe.

Ramón zum Beispiel lebt in einer Art selbstgezimmertem Blockhaus (und ich bin nach wie vor fest davon überzeugt, dass es genau dieses Blockhaus irgendwo auf La Gomera gibt ;-) ).  Wände und Boden sind aus grob abgeschliffenem Holz, ebenso die Möbel. Ein bisschen Robinson-Crusoe-mäßig, und eigentlich ist es ja auch fast so.

Der Grundriss ist in etwa dieser hier, entstanden ist er schon im Dezember 2009:

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