#autorenwahnsinn, Tag 4 – Ein sommerliches Zitat

Watt
Watt
Wer schon einmal an der Nordsee eine Wattwanderung mitgemacht hat, weiß, wie sich das anfühlt. Ich kann mich jedenfalls dafür ehrlich begeistern, und inzwischen vergeht kein Aufenthalt an der Nordsee mehr ohne Wattwanderung. Einmal bin ich sogar vom Festland bis zur Insel Baltrum gewandert – nur mit erfahrenem Wattführer selbstverständlich. Alles andere ist bodenloser Leichtsinn. Und natürlich mussten meine Erfahrungen auch in „Spätsommer auf Borkum“ einfließen:

Anne hatte viel über die Insel gelesen, versucht, sich vorzubereiten, aber das hier konnte kein Foto, kein Buch und kein Video vermitteln: die Luft, die wie Seide über ihre nackten Arme und Beine strich, den Duft der vielen Kräuter, den Blick in die Weite, und den weichen Wattboden unter den Füßen. Anne blieb ein bisschen zurück, als die Gruppe mit Marten ein Stück weiterging, und sah stattdessen aufs Meer hinaus. Vielmehr auf das, was in ein paar Stunden wieder Meer sein würde. Sie konnte in der Ferne nicht genau ausmachen, wo das Wasser anfing. Die feuchte Wattfläche glitzerte in der Sonne, und das Blau des Himmels mischte sich am Horizont mit dem bräunlich schimmernden feuchten Watt zu einer undefinierbaren Farbe im blassen Dunst. Alle Konturen verschwammen, auch die eines kleinen Segelboots, das ganz weit draußen dümpelte. Anne schloss für einen Moment die Augen. Von den Salzwiesen wehte immer noch der würzige Duft des Wermuts herüber, und weit oben kreisten irgendwo Möwen und schienen sich mit ihren Schreien zu unterhalten. Auch andere Vogelstimmen hörte sie, die sie nicht kannte. Noch nicht.

Anne öffnete die Augen wieder und sah auf ihre sandverkrusteten Füße herunter. Was für ein Genuss, wieder einmal barfuß zu gehen. Das Watt war ideal für müde Städterfüße, fest genug, nicht einzusinken, aber weich genug, um die Füße bei jedem Schritt zu massieren. Anne wackelte mit den Zehen. Erstaunlich, diese Fülle von Leben nur wenige Zentimeter unter ihren Fußsohlen. Vermutlich tummelten sich dort tausende von diesen Wattwürmern und Herzmuscheln, die seit Millionen von Jahren im immer gleichen Rhythmus von Werden und Vergehen die Natur im Gleichgewicht hielten. Fressen und gefressen werden, dachte Anne mit Blick auf eine hungrige Möwe, die mit dem Schnabel im Sand gestochert hatte und nun misstrauisch zu ihr herüber sah.

Anne bekam eine ungefähre Ahnung, wie das Leben auf der Insel sein könnte. Im Einklang mit der Natur, aber auch im Kampf gegen sie, wenn es um das eigene Überleben ging. Sturmfluten waren selten, aber wenn es sie gab, dann wüteten sie zerstörerisch.

#autorenwahnsinn, Tag 1 – Woran schreibst Du?

Ich mache mit beim „Autorenwahnsinn“. Jeden Tag, den ganzen August lang, gilt es eine andere Frage zu beantworten:

#autorenwahnsinn Tag 1: Woran schreibst du diesen Sommer?

Dummerweise schreibe ich im Moment gar nicht, sondern habe gerade erst ein Buch herausgebracht („Spätsommer auf Borkum“). Aber da ich ohnehin vorhatte, die Hintergründe des Buchs mit kleineren Artikeln ein bisschen auszuleuchten, und auch bis vor kurzem noch daran geschrieben habe, nutze ich die Vorgaben des „Autorenwahnsinns“ und verbinde beides miteinander.

„Spätsommer auf Borkum“ ist ein Buch, das aus einer Laune, einer Idee, aus dem Müßiggang des Urlaubs heraus entstanden ist. Ich kann gar nicht mehr sagen, wann sich die Idee mit den beiden Brüdern verfestigte, oder wie ich die Schauplätze ausgesucht oder die Figuren charakterisiert habe. Sicherlich haben der eine oder andere Aufenthalt auf Borkum dazu beigetragen, denn es finden sich in Handlung und Beschreibungen durchaus Dinge der Wirklichkeit wieder. Die Insel als solches sowieso, manches habe ich selbst erlebt, anderes gelesen oder in einem Youtube-Video gesehen. Manches habe ich auch schlichtweg erfunden.

Und dann geschieht das Wunderbare, dass all diese realen, gelesenen und erfundenen Dinge sich in meinem Unterbewusstsein miteinander vermischen und eine homogene Geschichte entsteht, die sich tatsächlich so abgespielt haben könnte. Und wie es oft ist bei Autoren: meine Figuren habe ich sehr liebgewonnen und konnte mich nur schwer von ihnen trennen. Das Wort „Ende“ unter dem Text ist immer ein zwiespältiges. Zum einen das euphorisierende Gefühl, wieder eine Geschichte geschafft zu haben, zum anderen bedeutet es aber auch, meine Protagonisten loszulassen.

Meine Lektorin Dorothea Kenneweg meinte, ich soll doch weiter über Borkum schreiben, vielleicht mit einer Figur, die bisher eher am Rande auftaucht. Vielleicht Heike? Oder Jelko? Bisher habe ich nur ein paar diffuse Ideen, aber wer weiß – wenn der „Autorenwahnsinn“ am 31.08. zu Ende geht – vielleicht habe ich bis dahin schon wieder ein paar Einfälle… :-)

borkum-cover-kindle