Die Planungen für diesen Trip liefen bereits seit Monaten. Zehn Tage Spanien: viel Spaß, viel Kultur, Museen, Theater, seltsames Essen und noch seltsamere Getränke, Fiestas, Prozessionen und Proteste, viele Gespräche über den Spanischen Bürgerkrieg, Stierkampf, außerdem Blasen an den Füßen und: wunderbare Begegnungen.
Die Planung für die zehn Tage: erster Standort Valencia, von dort Abstecher nach Xativa (1/2 Stunde mit dem Auto von Valencia) und Teruel (1 Stunde von Valencia mit dem Auto, Rückweg durch den Nationalpark Serra Calderona. Dann Cuenca, eine Übernachtung, und weiter nach Madrid. Abstecher von Madrid nach Toledo mit dem Zug, Fahrtzeit ungefähr 30 Minuten.
1. Tag. 09. Mai 2013: Anreise Madrid – Valencia
In aller Herrgottsfrühe (7.50 Uhr) ging der Flieger nach Madrid. Es war einfacher und wesentlich preiswerter, Hin- und Rückflug nach/von Madrid zu buchen und von Madrid aus mit dem Zug weiterzufahren. Das Ticket für den Zug hatte ich mir vorher im Internet bestellt und ausgedruckt, dann kostet es nicht einmal die Hälfte. Vorsichtshalber hatte ich zwischen Ankunft in Madrid und Weiterfahrt nach Valencia ein bisschen Zeit eingeplant (bei der Iberia weiß man ja nie). Als erstes habe ich meinen Koffer in der Gepäckaufbewahrung abgeliefert und die Halle vom Bahnhof Atocha bestaunt, in der man sich wie in einem Gewächshaus fühlt. Sogar einen Teich mit Wasserschildkröten gibt es:
Anschließend konnte ich noch einen ausgedehnten Bummel durch den Retiro-Park machen:
Von der Bahnfahrt nach Valencia weiß ich nicht mehr viel, weil ich die meiste Zeit geschlafen habe. Diese neuen Schnellzüge fahren aber mit knapp 300 Stundenkilometern schnurgerade durch die Landschaft. In Valencia: Apartment in der Innenstadt. Und Innenstadt hieß hier wirklich: mittendrin. Aber dazu später. Als erstes stand ein Bummel durch das abendliche Valencia auf dem Programm. Und ja, es wurde (wieder einmal) protestiert, diesmal ging es um Einschnitte ins Bildungssystem:
Valencia ist auf den ersten – und zweiten – Blick – schön.
2. Tag, 10. Mai 2013: Valencia
Ein strahlender Morgen in Valencia! Als erstes an der Stierkampfarena Tickets gekauft, denn für den Samstag war Stierkampf angesetzt. Leichtes Bauchgrimmen. Aber gut, um etwas be- oder verurteilen zu können, muss man es zuerst einmal gesehen haben.
Also, Tickets für den Samstag gekauft und dann ein weiterer Bummel. Diesmal durch den Turia-Park. Und zum ersten Mal habe ich die berühmte „Orchata“ getrunken und Churros gegessen:
Der Park ist der ehemalige Flusslauf des Riu Turia. Nach einer katastrophalen Überschwemmung mit vielen Toten im Jahre 1957 beschloss die Stadt, den Fluss um die Stadt herumzuleiten und verwandelte das Flussbett in einen Park. An dessen Ende, zum Meer hin, entstand anlässlich des Admirals Cup 2007 die „Ciudad de las Artes y las Ciencias“, sehr futuristische Bauwerke im Konrast zum alten Valencia.
Nach dem Turia-Park noch ein Bummel durch Seitenstraßen, unter anderem zur alten Seidenbörse von Valencia (drin war ich aber erst einige Tage später):
Zum Abschluss bin ich dann noch auf den Miguelete, den Glockenturm, geklettert (207 Stufen), um den Blick auf die Stadt zu genießen. Man kann von dort oben bin zum Meer sehen.
Wieder auf der Erde, musste unbedingt noch ein Foto vom Brunnen auf dem Plaza de la Virgin machen… 😉
3. Tag, 11. Mai 2013: Ausflug nach Xativa
Über Xativa, oder Játiva auf katalanisch, hatte ich im Vorfeld viel gelesen. Eine schöne alte Stadt, aus der die Borgias stammen, deren Familie zwei Päpste stellte. Am bekanntesten ist wohl das Kastell, dessen älteste Teile in der Römerzeit gebaut wurden. Von dort oben hat man einen atemberaubenden Blick auf die ganze Umgebung.
Am Abend ging es dann zum Stierkampf! Ich muss sagen, nach wie vor mit sehr gemischten Gefühlen. Grundsätzlich bin ich (und auch jetzt noch) ein Gegner davon, Tiere als Gegenstand von Unterhaltung zu sehen und sie zum Vergnügen zu töten. Und ich war sehr unruhig, ob ich das Schauspiel denn überhaupt ertragen könnte.
Vorweg: als erstes fiel mir auf, dass das Publikum zu 90% aus Männern bestand, und alle deutlich über 60. Möglicherweise wird diese Art Spektakel früher oder später ohnehin einfach aussterben, wenn das Publikum fehlt. Die restlichen 10% waren gemischtes Publikum, größtenteils wohl Touristen, so wie ich. Die Arena war auch nur etwa zur Hälfte gefüllt. Die Kämpfe laufen nach einem bestimmten Ritual ab, und so konnte ich dann auch durchaus ein paar Unterschiede zwischen den verschiedenen Toreros sehen, und der, der im zweiten Kampf den meisten Applaus des ganzen Abends bekam, hatte den Beifall (und die Trophäe des Stierohrs) auch redlich verdient. Und zu langes Tändeln mit dem bereits angeschlagenen Stier ist streng verpönt, und Toreros, die es nicht schaffen, der Sache ein schnelles Ende zu bereiten, werden gnadenlos ausgebuht.
Die Stiere sind übrigens unglaubliche Tiere, die reinsten Kampfmaschinen, alle zwischen 500 und 600 Kilo schwer, aggressiv und auf furchtlosen Angriff gezüchtet. Sie haben meine tiefste Bewunderung. Mutig, stark, unbeirrt und kämpfen beherzt bis zum Schluss. Und, das sollte man nicht vergessen, sie haben tatsächlich eine faire Chance. Hey, ein knapp 600 Kilo schwerer Stier gegen einen Mann, der mit einem roten Tuch wedelt? Einen der sechs Toreros hatte es beinahe erwischt. Der Stier hatte ihn schon hochgeworfen, aber der Mann hat sich noch retten können und kam mit blauen Flecken davon.
Ich zeige hier nur ein Foto von den vielen, die ich gemacht habe. Ganz ehrlich, ich bin froh, dass ich da war. Ich habe mit Freunden darüber diskutiert, die alle „eigentlich“ Gegner des Stierkampfs sind, aber alle übereinstimmend zugeben mussten, dass dieses Spektakel eine Faszination hat, der man sich kaum entziehen kann. Es ist wie ein lebendes Überbleibsel aus der Römerzeit, eine Mischung aus antiker Theateraufführung und ‚Brot und Spiele‘, mit festen Abläufen, Regeln und Rollen. Die Faszination sieht und spürt man in Fernsehberichten oder auf Fotos einfach nicht. Fazit: einmal einen Stierkampf ansehen, um zu wissen, worüber man spricht, ist in Ordnung. Ab dem zweiten Mal unterstützt man die Stierkampftradition bereits mit seinem Eintrittsgeld, und spätestens dann sollte man sich entscheiden, ob man dafür oder dagegen ist. Ich persönlich sitze, um den britischen Autoren Jason Webster („La Muerte„) zu zitieren, nach wie vor „auf dem Zaun“.
Hier ein Beispiel, was passieren kann, wenn man sich mit einem besonders cleveren Stier anlegt. Dieses Video wurde bei einem Stierkampf in Nordspanien aufgenommen:
4. Tag, 12. Mai 2013: Valencia: Fiesta de la Virgin!
Auch davon hatte ich vorher keine Ahnung: in den Tagen unseres Aufenthalts fand die Fiesta de la Virgin statt und Valencia stand Kopf. Eigentlich steht die Stadt immer irgendwie Kopf, insbesondere bei den „Fallas“ im März. Dieses Fest nun läuft so ab, dass um „medio mañana“, also in der Mitte des Morgens (was auf deutsch 10.30 Uhr bedeutete) eine Heiligenstatue aus der Kathedrale hinaus und um den Platz getragen wird. Es soll Glück und Segen bringen, ihren Mantel zu berühren, also versuchen viele, möglichst nahe an sie heranzukommen und am besten noch ihr Baby und Kleinkind hochzuhalten und der Statue praktisch entgegenzuwerfen, damit der Nachwuchs im wahrsten Wortsinne den „Segen abkriegt“. Das war sehr lustig anzusehen, aber irgendwie auch rührend. Meines Wissens ist auch kein Baby oder sonstwer in dem Gewühle zu Schaden gekommen.
Vor dem Betrieb in der Stadt wieder in den Turia-Park geflüchtet, diesmal weiter nördlich, und der Torres de Serranos, eines der alten Stadttore, musste natürlich ebenfalls erklommen werden. Überhaupt wurde in diesem Urlaub ziemlich viel herumgeklettert: Miguelete, das Kastell in Xativa, der Torres de Serrano… Und es ging noch weiter. Aber dazu später.
Die Fiesta in der Stadt kam nicht zur Ruhe. Am Nachmittag rüsteten sich bereits die nächsten:
Abends gab es nämlich stundenlange Umzüge in der ganzen Innenstadt, in diesen, zugegeben, großartigen Kleidern, traditionelle valencianische, wie man mir sagte. Jedes Kleid hatte eine andere Farbe und Muster, jedes der vielen hundert, die wir gesehen haben:
Das Apartment war, wie bereits erwähnt, mitten in der Innenstadt. Irgendwann wurde der Trubel zuviel, denn die Umzüge fanden auch noch genau vor dem Fenster statt. In die Gegenrichtung geflüchtet – um gleich wieder in die nächsten Proteste hineinzulaufen… Was bleibt einem anderes übrig, als den Abend mit einem ordentlichen Schluck Sangria ausklingen zu lassen!
5. Tag, 13. Mai 2013: Ausflug nach Teruel
Auf diesen Ausflug freute ich mich sehr, ist doch Teruel eine der Städte, in denen vom maurischen Baustil, dem sogenannten „Mudéjarstil“, noch viel erhalten ist. Die maurischen Grundelemente haben sich weiterentwickelt und mit Elementen der Gotik und Renaissance vermischt. Beim Hineinfahren in die Stadt war der erste Eindruck enttäuschend, denn die Straßen der äußeren Innenstadt sahen genauso aus wie neuzeitliche Städte eben so aussehen: Wohnblocks, Supermärkte, das übliche. Als ich aber dann am Rande der historischen Bauten endlich einen Parkplatz gefunden hatte, bot sich nach wenigen Schritten ein völlig anderes Bild:
Teruel ist auch die „Stadt der Liebenden“, und jeder in Spanien kennt die Geschichte der unglücklich Verliebten, Isabel und Diego, die erst nach dem Tod zueinander fanden und hier auch bestattet sind (sehr wahrscheinlich jedenfalls sind sie es). Im Museum in der Kirche wurde man fast handgreiflich gezwungen, sich einen Film über Teruel anzusehen, der zugegebenermaßen auch sehr interessant war und sowohl die Stadtgeschichte als auch die Geschichte von Isabel und Diego erzählte (auf Spanisch, mit englischen Untertiteln). Überhaupt gab man sich unglaublich viel Mühe. Dass Menschen aus Deutschland kommen, um ihre Kirche und das Museum zu sehen, muss für die Museumsangestellten schon einigermaßen unerhört gewesen sein. Sie waren fast beleidigt, als ich ablehnte, auch noch auf den Turm der Kirche zu klettern, weil das doch im Eintrittspreis mit drin war. Geklettert bin ich dann noch, aber später. :-). Die Geschichte der Liebenden „Los Amantes de Teruel“ findet sich sogar in der Kunst wieder, und die beiden Sarkophage, durch deren filigrane Seitenwände man die Mumien von Isabel und Diego sehen kann, sind schon ein Kunstwerk für sich. Es gibt auch ein berühmtes Gemälde von Antonio Muñoz Degrain von 1884, dessen Original im Prado in Madrid hängt.
Nach dem Besuch der Kirche und des Museums bin ich dann auf einen der Stadttürme geklettert, ebenfalls in maurischer Bauweise, viereckig. Was den Vorteil hatte, sich nicht auf einer engen Wendeltreppe 200 Stufen nach oben quetschen zu müssen, womöglich noch bei Gegenverkehr. Zwischendurch gab es immer wieder Haltepunkte, an denen Schautafeln die Bauweise und die Geschichte erklärten, und schließlich auch Glocken, die natürlich genau in dem Moment anfingen zu läuten, als ich oben war.
Ungefähr auf halber Höhe im Turm fand ich zwischen zwei Stockwerken einen verirrten Mauersegler, der nicht mehr hinausfand und ganz erschöpft am Boden saß. Geistesgegenwärtig warf ich meinen Hut über ihn, fischte ihn vorsichtig darunter heraus und trug ihn zur nächsten Maueröffnung. Er verschwand dankbar nach draußen ins warme Sonnenlicht. 😉
Für die Rückfahrt ging es nicht über die Autobahn, sondern die Straße durch die Serra Calderona, einen Nationalpark. Und wie schön war es hier, so ruhig, völlig allein auf dem Berg…
6. Tag, 14. Mai 2013: Abfahrt nach Cuenca
Vor der Abfahrt nach Cuenca noch Besichtigung der Markthalle von Valencia und der Seidenbörse Lonja de la Seda. Ich kannte bis dahin nur die Markthalle San Miguel in Madrid, aber die ist im Vergleich winzig und eher ein Gourmettempel als ein richtiger Markt. Das war hier in Valencia ein bisschen anders… 😉
Angeblich sehen gehäutete Kaninchen genauso aus wie gehäutete Katzen, fiel mir wieder ein. Daher stammt auch die Bezeichnung „Dachhase“, die in der Nachkriegszeit üblich war…
Tja, und was man damit macht, entzieht sich nun völlig meinen kulinarischen Kenntnissen:
Die Seidenbörse „Lonja de la Seda“ ist eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt und Weltkulturerbe sowie Sitz der Kulturakademie Valencias, und wurde um 1530 errichtet. Sie besteht aus vier Teilen: dem Turm, dem Saal Consulado del Mar, dem Orangenbaum-Innenhof und dem Säulensaal. Alles zusammen ist über 2.000 m² groß.
Und dann: Cuenca! Cuenca liegt fast genau in der Mitte zwischen Madrid und Valencia in der autonomen Region Castilla-La Mancha, geografisch auf dem Übergang zwischen der Cuenca-Gebirgsregion und der La-Mancha-Ebene. Das historische Zentrum der Stadt sitzt praktisch auf einem Felsplateau zwischen den Schluchten der beiden Flüsse Júcar und Huécar.
Der „Parador“, ein ehemaliges Kloster, war einfach nur atemberaubend, insbesondere der Blick aus dem Fenster des Hotelzimmers auf die berühmte Brücke über dem Fluss Huécar und die hängenden Häuser von Cuenca.
Der ehemalige Kreuzgang:
Wenn man in die alte Stadt hinüber will, muss man diese schwindelerregend hohe Brücke überqueren, die aber sehr stabil gebaut ist. Also keine Bedenken:
Die Kathedrale besteht, hm, zur Hälfte aus Fassade, ist aber ausgesprochen eindrucksvoll und beherrscht den kleinen Platz davor:
Natürlich gab es auch hier wieder einen Turm zum Hochklettern, aber nicht von der Kathedrale, die hat nämlich keinen, sondern von einer anderen Kirche. Oder war es einfach nur irgendein „Torre“? Egal. Der Aufstieg war kurz, aber extrem eng, und der Platz oben nur jeweils einen Fuß breit rundherum. Aber die Sicht natürlich großartig, hier der Parador von oben:
Das Wetter hatte sich geändert, und das kontinentale Klima war in Cuenca schon deutlich zu spüren, es war sehr viel kälter als in Valencia. Die Gegend ist rauher und unberührter. Ich hatte das Glück, einen der hier lebenden Geier fotografieren zu können:
Nach dem ausgiebigen Rundgang ließ ich den Abend in einer Bar ausklingen, die ich am Nachmittag schon für einen Kaffee aufgesucht hatte. Und jetzt konnte man merken, dass Cuenca, zumindest der alte Teil oben auf dem Berg, ein richtiges Dorf ist. Der Gastwirt war ein sehr ruhiger Typ, geradezu schüchtern. Und als ein paar Einheimische hereinkamen, kam eine alte Frau auf mich zu, sah auf mein blondes Haar, legte mir eine Hand auf die Schulter, schüttelte sie ein wenig und nickte mir freundlich zu. Begrüßung ohne Worte, aber ich fühlte mich willkommen.
7. Tag, 15. Mai 2013: Endlich: Madrid!
Man liebt wohl diejenige spanische Stadt am meisten, die man als erstes kennenlernt – bei mir kommt an erster Stelle immer Madrid. Ich erinnere mich genau an den Moment im Juni 2011, als ich an der Calle Gran Via aus der Metro kam und mich umsah und mich sofort zu Hause fühlte. Dieses Gefühl hat sich in Valencia kein einziges Mal eingestellt.
In Madrid war der Himmel bewölkt und ein paar Regentropfen fielen. Ich ließ mich auch von der Kälte und dem zunehmenden Regen nicht von einem ersten Stadtbummel abhalten. Mein „Hostal“ lag direkt am Opernplatz, und von der Lage her war es ideal. Die Metrostation vor der Nase, ebenso alle Sehenswürdigkeiten der Innenstadt in Laufweite. Besser gings nicht. Ich merkte allerdings schnell, dass mein Rock zwar lang, aber viel zu dünn war, ebenso die Schuhe, und kaufte als erstes ein: eine dickere und vor allem wetterfeste Jacke und ein paar kurze Stiefel.
Das hier ist das Hostal Oriente. Die Fotos auf der Webseite sind ein bisschen geschönt. Mein Einzelzimmer im ersten Stock war winzig, einfach, aber sauber, und es lag zum Glück nach hinten raus, denn die Vorderseite schaut genau auf den Opernplatz, und da geht es – Leute, Madrid! – bis in die späte Nacht sehr laut zu:
Es gab so vieles zu entdecken und wiederzusehen, angefangen bei diesem Platz hier. Regelmäßige Leser meines Blogs zum Buch werden ihn kennen, Plaza de la Villa:
Und auch diesen Herrn hier, den verrückten Ziegenbock, kannte ich noch, der ist immer am Plaza Major und führt, wenn man ihm einen kleinen Obolus in seine Dose wirft, einen verrückten Tanz auf:
Die Kinder haben immer einen Mordsspaß mit ihm. In Madrid gibt es vermutlich hunderte solcher Kleinkünstler in den Straßen, Pantomimen, Musiker, Komiker, die einfach zum Stadtbild gehören und größtenteils wirkliche Künstler und/oder höchst originell sind.
Im Laufe des Nachmittags ging ich im Viertel Lavapies verloren, ein Stadtteil von Madrid, der Kreuzberg in Berlin ähnelt, ein bisschen schmuddelig, aber mit einem lebendigen und kreativen Leben. Ich war auf der Suche nach einem ganz bestimmten Haus, und ich habe es gefunden, in der Calle Abades Nummer 24. Mehr dazu später.
Am Abend gab es eine „Madrid Food Tour“ mit James Blick. James ist Neuseeländer und freiberuflicher Autor, lebt seit Jahren in Spanien, kennt Madrid wie seine Westentasche und bietet Tapas-Touren durch die Bars und Restaurants an, die bei den Einheimischen beliebt sind und hervorragende Küche haben. Als erstes stand aber auch im abendlichen Madrid ein bisschen Sightseeing auf dem Programm, und James erzählte insbesondere vom Stadtpatron Madrids, dem heiligen Isidor, auf spanisch: San Isidro. In James‘ schneller Sprechweise hörte sich das wie „Sunny Sidro“ an, und es dauerte eine Weile, bis mir dämmerte, was er meinte. Mit „sonnig“ hat der gute Isidor nun so gar nichts zu tun, ganz im Gegenteil, er wurde insbesondere dann angefleht, wenn es an Regen fehlte, und hat auch immer geholfen. Und da genau in dieser Woche der Stadtpatron ausgiebig gefeiert wurde, war das Wetter eigentlich kein Wunder. 😉
James lotste kannte sich in den kleinen Gassen und Sträßchen im abendlichen, malerischen Madrid aufs beste aus und wusste über jedes Haus, jedes Restaurant, jede Speise eine Geschichte zu erzählen.
Von den meisten der Leckereien, die wir in den nächsten Stunden verzehrten, habe ich leider keine Aufnahmen gemacht. Ich war viel zu sehr mit Essen und Genießen beschäftigt. Diese hier waren lecker, Ochsenschwanz-Sandwiches:
Und in dieser Schale ist siedendes Knoblauch-Öl, in dem direkt über dem Feuer die Krabben gegart wurden. Das Öl tunkt man dann anschließend mit Weißbrot auf:
Diesem Abend verdanke ich übrigens das Nachfolgegetränk für den Sangria in Valencia: hier in Madrid hielt ich mich für die restlichen Abende an „Vermout“, ein mit Gewürzen versetzter Wein, den es in der „Taberna Real„, die meinem Hostal direkt gegenüber lag, wegen seiner Beliebtheit direkt aus dem Zapfhahn gibt. Mit Flaschen halten die sich gar nicht erst auf. Und es wurde spät auf dieser Tapas-Tour. Sehr spät. Und: „What happens in Spain, stays in Spain“.
8. Tag, 16. Mai 2013: Wiedersehen und Neuentdeckungen
Als erstes fuhr ich mit der Metro zu „Las Ventas“, der Stierkampfarena von Madrid, mit 23.000 Plätzen wohl eine der, wenn nicht DIE größte in Spanien. Ich wollte mich einfach nur etwas umsehen, eventuell auch versuchen, noch eine Karte für den Abend zu bekommen. Keine Chance, Las Ventas war restlos ausverkauft. Es wurden aber Besichtigungstouren der Arena angeboten, und so machte ich wenigstens einen Rundgang.
Danach fuhr ich einige Metro-Stationen zurück, stieg am Retiro-Park aus und machte einen Bummel durch das vornehme Salamanca-Viertel, auf der Suche nach einem geeigneten Haus für den Schluss meines zweiten Romans, aber so richtig fündig bin ich nicht geworden. Ich fürchte, ich muss mir ein anderes Viertel suchen. 😉 Überhaupt war Salamanca nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Mag sein, dass da die Schönen und Reichen wohnen – aber dann wohnen sie in einer reichlich langweiligen Gegend. Das quirlige Zentrum oder die Gegend um die Calle Gran Via sind mir viel sympathischer.
Zurück aus Salamanca bummelte ich durch den Retiro-Park. Gestopft voll mit Schulklassen und japanischen Reisegruppen, und so ging ich weiter bis zum Prado und gönnte mir den Luxus, ihm hier lange Zeit einfach nur zuzuhören – er heißt Edgar Moffatt und ich hatte ihn zwei Jahre zuvor schon gesehen und gehört:
Hier eine kleine Kostprobe:
Nach meinem letzten Madrid-Besuch hatte ich mich geärgert, dass ich keine CD von ihm mitgenommen habe – diesmal hab ich eine gekauft!
Ich überlegte kurz, in den Prado zu gehen, aber es war brechend voll, und so schlenderte ich weiter bis zum Caixa-Forum, um mir den vertikalen Garten anzusehen – wunderschön!
Wieder zurück in der Innenstadt, bin ich an der Puerta del Sol in einen weiteren Protestzug hineingeraten, der sich bei näherem Hinsehen aber als ein sehr trauriger entpuppte. Angehörige von Menschen, die während des Spanischen Bürgerkriegs (1936-1939) spurlos verschwunden sind und vermutlich in Massengräbern verscharrt wurden, die jetzt überall gefunden werden, fordern Gerechtigkeit und Aufklärung. Unfassbar, dass nach so vielen Jahren immer noch nichts passiert ist. Die Fotos sprechen für sich, denke ich…
Diese Dame sprach dann zu den Demonstranten, ich habe nicht herausgefunden, wer sie ist. Vermutlich irgendeine Politikerin, die Aufklärung versprach – und dieses Versprechen wohl doch nicht halten wird… Deprimierend.
9. Tag, 17. Mai 2013: Regen
Stadtbummel im strömenden Regen! Nun ja – es gibt zum Glück den „El Corte Inglese“, das Kaufhaus, es gibt Cafés, in denen man stundenlang sitzen kann, und natürlich den Prado. Der Prado hat bis 20 Uhr geöffnet, und ich hatte auch noch Glück: statt für teure 14 Euro eine Eintrittskarte kaufen zu müssen, war der Eintritt an diesem Abend frei!
Mich zog es natürlich wieder zu meinen heißgeliebten spanischen Malern. Velazquez eher weniger, der hat ja nur Portraits von irgendwelchen langgesichtigen Habsburgern gemalt (klingt jetzt ziemlich ignorant :P), aber José de Ribera! Fotografieren ist verboten – aber das hat mich ja noch nie besonders gestört…
Und an sie hier hatte ich überhaupt nicht mehr gedacht! Sie, die im letzten Jahr so viel Staub aufgewirbelt hat, weil sie die Schwester der Mona Lisa im Pariser Louvre ist. Zeitweise waren die beiden Gemälde dort sogar gemeinsam zu sehen. Auch die durfte man natürlich NICHT fotografieren…
Mit einem letzten Bummel durch das abendliche Madrid und einem Absacker-Vermout in der „Taberna Real“ endete ein langer Tag.
10. Tag, 18. Mai 2013: Toledo und Theater
Am Morgen konsultierte ich als erstes den Wetterbericht – dank WiFi im Hostal und iPhone kein Problem. Toledo stand durchaus auf meinem Programm – aber nicht im strömenden Regen, wenn möglich. Der Wetterbericht verhieß trockenes Wetter, und so startete ich zum Bahnhof, kaufte eine Fahrkarte (hin und zurück 20 Euro) und fuhr dann mit einem dieser Schnellzüge ca. 35 Minuten bis Toledo. Das hier ist der Bahnhof:
Ich hatte schon viele Fotos von Toledo gesehen, und so war der Anblick dieser großartigen alten Stadt schon fast vertraut, und dennoch war ich wie erschlagen von all den winzigen Gässchen, in denen man sich gehörig verlaufen konnte. Ich bin ziemlich sicher, dass ich einige der absolut sehenswerten Gebäude verpasst habe, es waren einfach zu viele. Und zu viele Touristen. Menschenmassen gehen mir immer auf den Geist, und so habe ich mich immer wieder mal in Seitengassen abseits der ausgetretenen Pfade verdrückt, und dabei immerhin ein Tempelritter-Museum entdeckt, von dem ich keine Ahnung hatte.
Hier noch ein paar Eindrücke:
Meine Rückfahrt war für den frühen Nachmittag gebucht, denn für den Abend hatte ich einen Theaterbesuch geplant und wollte mich natürlich vorher umziehen und ein bisschen fein machen. Über Twitter und Facebook bin ich mit einem spanischen Schauspieler befreundet, Germán Torres, und ich wusste, dass er im Mai wieder Vorstellungen von „IVAN-OFF“ (frei nach Tschechow) in Madrid spielen würde. Ich hatte mir schon vor Wochen per Mail ein Ticket gesichert, denn es gibt nur 24 Plätze im „Casa de la Portera“, es ist eine Art Zimmertheater. Und Germán wusste natürlich, dass ich kommen wollte.
Und dann stand ich wieder vor dieser geheimnisvollen grünen Tür in der Calle Abades Nummer 24 (siehe oben, 7. Tag), die sich pünktlich um 20.30 Uhr für diejenigen öffnete, die Karten vorbestellt hatten und sie abholen wollten. Die Vorstellung begann um 21.00 Uhr. Hier ein Eindruck von der Dekoration im Flur, während der Vorstellung habe ich natürlich nicht fotografiert:
Dieses „Casa de la Portera“, die Hausmeisterwohnung, ist wirklich eine Wohnung. Die ehemalige Küche ist Kartenvorverkaufsstelle, Büro und Garderobe in einem, und in zwei weiteren Zimmern wird gespielt. Mit minimalem Aufwand an Dekoration natürlich, die Zuschauer sitzen ringsum an den Wänden und sind nur ca. einen halben Meter von den Schauspielern entfernt.
Wie verrückt muss man sein, sich ein Tschechow-Stück auf Spanisch anzusehen? Gar nicht so verrückt. Ich hatte es mir vorher als Reclam-Heft besorgt, aber war nicht dazu gekommen, es zu lesen. So wusste ich nur ganz grob, worum es ging, und vom Spanisch hab ich auch bestenfalls 10 Prozent verstanden. Mehr war aber gar nicht nötig. Die Schauspieler waren so gut, dass ich mit ein paar Worten, die ich verstanden hatte, der Geschichte mühelos folgen konnte, und es war einfach atemberaubend, so dicht an den Darstellern zu sein. Germán machte sich den Spaß, sich in einer Szene dicht vor mir aufzubauen und mir in die Augen zu starren. Er hatte mich mit meinen blonden Haaren unter all den Spaniern natürlich sofort erkannt.
Hinterher habe ich draußen gewartet, kam noch mit dem Hauptdarsteller ins Gespräch, der als erster herauskam und der mir richtig gut gefallen hatte. Zum Glück sprach er sehr gut englisch. Germán leider nicht, und so holperten wir ein bisschen zwischen den Sprachen herum, hatten aber viel Spaß, waren froh, dass wir uns endlich kennenlernten, und ich wurde natürlich mit Küsschen begrüßt und später verabschiedet. What happens in Spain, stays in Spain.
11. und letzter Tag, 19. Mai 2013: Adios, Madrid
Mein Flieger ging erst abends, ich konnte noch den ganzen letzten Tag in Madrid verbringen. Und da es ein Sonntag war, konnte das Vormittagsprogramm natürlich nur wie lauten? Richtig: El Rastro! Madrids beliebter Flohmarkt, der sich über ein ganzes Stadtviertel erstreckt, der jeden Sonntagvormittag stattfindet und auf dem es einfach ALLES zu kaufen gibt. Und der Mann mit den unglaublich schönen Fächern war auch wieder da:
Nach dem Rastro taten mir eigentlich schon die Füße weh, trotzdem steuerte ich den Casa de Campo an, den riesigen Park jenseits des Flusses Manzanares, den ich bisher auch noch nicht gesehen hatte. Um es kurz zu machen: sehr weit bin ich in dem Park nicht gekommen. Erstens ist er unübersehbar riesig, und zweitens hatte ich eine Brutkolonie dieser Mönchssittiche entdeckt, die es auch in Valencia gab, und hatte alle Hände voll zu tun, Fotos von ihnen zu machen, einen hab ich schließlich am Boden mit dem Teleobjektiv erwischt:
Langsam bummelte ich ins Zentrum zurück, nicht ohne einen weiteren Park zu durchstreifen, den Campo del Moro, hinter dem Königspalast:
Wieder am Königspalast angekommen, setzte ich mich auf eine der Bänke davor, denn die Sonne kam heraus, mir war warm, ich wollte meine Jacke ausziehen und ein paar Kekse essen. Dabei bekam ich allerdings ziemlich schnell Gesellschaft:
Diese Taube kam ganz von selbst auf meine Hand geflogen und hat so viele Kekse gefressen, dass ihr todsicher hinterher furchtbar schlecht war… 😉
Letzte Station meiner Spanien-Reise: der Flughafen Madrid-Barajas. Ich kenne ja inzwischen den Spaß, dass man selber am Automaten einchecken muss, bevor man sein Gepäck abgeben darf, und so war ich zeitig genug da, um keinen Stress aufkommen zu lassen. Ich hatte dann noch fast eine Stunde Zeit bis zum Boarding und streifte auf der Suche nach ein paar letzten Fotos von Madrid draußen herum. Die vier mittlerweile berühmten Türme „Cuatro Torres“ kennt bestimmt jeder Madrid-Reisende:
Die Berge im Norden sind wohl eher weniger bekannt:
Fazit
Da war sie wieder, die Wärme, die Freundlichkeit, die Gelassenheit, die mir in Deutschland immer so fehlt. Ein paar Punkte drängen sich einfach auf:
- Lieblingsessen: die Tapas in der „Huerta Santa Catalina“, unweit der Kathedrale von Valencia. Die waren einfach gigantisch gut.
- Lieblingsgetränk: Vermouth, der mal mit, mal ohne „h“ am Ende geschrieben wurde, aber immer gleich lecker war.
- Minus: das Wetter im zweiten Teil der Reise, in Madrid. Ich lasse mich auch von Kälte und Regen nicht abhalten, herumzustreifen, aber… nun ja… es war Spanien, ein bisschen Sonne und Wärme, so wie an den ersten Tagen in Valencia, wäre halt einfach ein Sahnehäubchen gewesen. Trotzdem: te amo, Madrid!
- Totale Entspannung: am Prado sitzen und Edgar Moffatt zuhören.
- Traurige Erlebnisse: die Demonstration der Angehörigen von Opfern des Spanischen Bürgerkriegs. Und die Obdachlosen: nach Einbruch der Dunkelheit bauen sie sich aus Kartons in den Wandelgängen rund um die Plaza Mayor Schlafstätten für die Nacht, während nur ein paar Meter weiter die Touristen in den teuren Restaurants an fein gedeckten Tischen sitzen und mit Silberbesteck völlig überteuertes schlechtes Essen verzehren.
- Aufregendstes Erlebnis: ohne Zweifel der Stierkampf.
- Schönstes Erlebnis: Casa de la Portera.
- Hier nicht erwähnt, aber auf Nachfrage gerne mündlich: Keramik in Valencia, Café Valiente, Englisch sprechende Spanier, Stierkampf – hinter den Kulissen, Cricket-Spiel im Turia-Park, Souvenirläden, winzige Kirchen, Iberia, Bücher über den Spanischen Bürgerkrieg und Franco.
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