FI-NA-LE

Man nehme: eine Fußballweltmeisterschaft, zwei Sofas, ein Stadion, Decken, Regenschirme, ganz viel Vorfreude, kleine, internetfähige Geräte, ein Manuel-Neuer-Püppchen, eine Tüte Chips – und fertig ist das perfekte Endspiel-Wochenende in Berlin.

Alles fing ganz harmlos an…

„Ihr guckt die WM-Spiele in einem Stadion?
Wie schön, und wo? Ah, in Berlin.
Moment … Auf einem SOFA?!?“

So oder ähnlich verlief der erste Dialog mit den Kollegen der „Stern“-Onlineredaktion auf Twitter, als sie ihre Sofas im sogenannten „WM-Wohnzimmer“ in Berlin bezogen.

Den Preis für die originellste Kulisse zum „Rudelgucken“ der Fußball-Weltmeisterschaft hat zweifelsohne der 1. FC Union in Berlin verdient. Das Stadion „An der alten Försterei“ in Köpenick wie ein Wohnzimmer gestalten, Parzellen abteilen und vermieten, die Menschen ihre Sofas hereintragen lassen, eine große Videowand aufhängen – schon ist er fertig, der WM-Spaß der ganz besonderen Art. Es kann kaum einen besseren Ort zum Fußballgucken in Deutschland gegeben haben. Frühzeitig wurden die Parzellen auf dem Rasen und damit das WM-Wohnzimmer bezogen, auch von den Kollegen vom „@stern_sofa“ (die hießen übrigens auch vor der WM schon so!), die eifrig live zur WM twitterten.

Für das Endspiel, so signalisierten sie, hätten sie noch Plätze frei, und reservierten zwei Karten für den Sohn und mich. Noch war selbstverständlich keine Rede davon, wer das Endspiel bestreiten würde, hatte doch gerade erst die Vorrunde angefangen. Trotzdem freuten wir uns natürlich riesig über diese einmalige Gelegenheit und die Einladung.

Unser Lieblingsquartier in Berlin, das Hostelboat „Eastern Comfort“ an der East Side Gallery, hatte zum Glück für das Endspiel-Wochenende noch ein Zimmer, oder besser: eine Kabine frei. Gesagt, gebucht, Fahrt geplant. In der Zwischenzeit rückte die deutsche Mannschaft beim Turnier in Brasilien immer weiter vor und hatte die Vorrunde bereits überstanden. Wenige Tage vor dem magischen „13. Juli“ stand fest: wir würden tatsächlich die deutsche Mannschaft gegen Argentinien im Endspiel sehen! Das war sozusagen das Sahnehäubchen.

 

Das Endspiel

– ab hier live –

Der Endspielabend selbst beginnt mit einem gewaltigen Wolkenbruch, als wir auf dem Weg zum Stadion sind. Oh weh – das Finale unter Schirmen und Regenplanen gucken? Nicht wirklich ein Spaß… Aber Petrus hat ein Einsehen, und pünktlich fünf Minuten vor Spielbeginn hört der Regen endgültig auf.

Zunächst mit Schirmen und Plane, später ohne.
Zunächst mit Schirmen und Plane, später ohne.
Julia und Katharina auf dem Sofa nebenan
Julia und Katharina auf dem Sofa nebenan

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Und dann wird es endlich ernst. Alle stehen auf, als die Hymne gespielt wird, alle singen mit. Ein Gänsehaut-Moment. Das Spiel beginnt. Es ist eine packende Partie, nicht mit der Leichtigkeit des Halbfinals, leider, sondern Schwerstarbeit. Die argentinische Abwehr steht wie Beton, es gibt einzelne Chancen, aber kaum ein Durchkommen für die deutschen Stürmer. Der Sohn und ich twittern unter dem neu geschaffenen Account @kern_sofa mit Katharina und Julia auf dem Stern-Sofa um die Wette, dafür ist Zeit, denn die Partie bleibt vorläufig torlos. Und bleibt es. Und bleibt es so lange, dass der Gedanke „wenn Argentinien jetzt ein Tor schießt, wird es eng“ immer häufiger wird. Aber: noch ist das Spiel ja nicht aus.

Das WM-Wohnzimmer des FC Union
Das WM-Wohnzimmer des FC Union

Immer wieder sehen wir uns um. Das Publikum ist großartig, geht mit, pfeift, klatscht, jubelt, springt auf, stöhnt, singt – es ist fast so, als seien wir live in Rio dabei, und nicht in Köpenick. Ein übles Foul an Kramer wird in Zeitlupe wiederholt, mehrfach, aus verschiedenen Perspektiven. Und jedes Mal stöhnt die Menge entsetzt auf. Als Miro Klose ausgewechselt wird, stehen alle auf, jubeln ihm zu und applaudieren.

Es geht in die Verlängerung. Neue Chance, neues Glück. Der arme Bastian Schweinsteiger muss ein übles Foul nach dem anderen einstecken, aber er steht immer wieder auf, geht immer wieder ins Spiel zurück. 113. Minute: niemand hat es so richtig erwartet in diesem Moment, aber Götze bremst irgendwie den Ball mit der Brust und schießt die herabfallende Lederkugel einfach so ins Tor. TOR. TOOOOR!!!!! Alle springen auf, schreien, jubeln, trampeln, werfen in die Luft, was sie gerade in der Hand halten, die Hölle bricht los – aber eine fröhliche, glückliche Hölle. Der Jubel ist unbeschreiblich.

Niemand setzt sich wieder hin. Alle bleiben stehen, als das Spiel weiterläuft, alle fiebern dem Schlusspfiff entgegen, der jetzt, JETZT doch endlich kommen muss! Die Nachspielzeit ist längst vorbei, und immer noch hat der Schiedsrichter kein Einsehen. Den entscheidenden Pfiff schließlich hat in dem Lärmpegel keiner mehr gehört, aber alle liegen sich in den Armen, als die Spieler auf dem Bildschirm anfangen, zu jubeln. Kissen fliegen zu Hunderten in die Luft, Feuerwerk vom Stadiondach in den wolkenlosen Berliner Nachthimmel, endloser Jubel, Fahnenschwenken, alle sind unsagbar glücklich. Nach 24 Jahren holt die deutsche Mannschaft mit einem 1:0 gegen Argentinien endlich wieder den Weltmeistertitel!

 

Mitternacht

Ein perfekter Abend. Die Chipstüte, gut verborgen (denn man darf eigentlich nichts zu Essen mitbringen, sondern soll sich im Stadion verköstigen), wandert zwischen unseren beiden Sofas hin und her. Auf einem großen Bildschirm an der Seite werden Tweets zum Spiel und zum WM-Wohnzimmer angezeigt, und wir machen uns jedes Mal gegenseitig begeistert aufmerksam, wenn es wieder ein Spruch von unseren beiden Sofas auf den Bildschirm geschafft hat. Wir sind nüchtern, um uns herum wird Bier getrunken, sicherlich, aber kein Gegröle, keine Ausfälle, es ist einfach ein stimmungsvoller, wunderbarer Fußballabend, so wie er sein soll.

Ein ganz dickes und großes DANKESCHÖN nochmals an Julia und Katharina für die Einladung und die Gastfreundschaft. Julia hat für den „Stern“ einen Bericht verfasst, den man hier nachlesen kann. Auch wenn es für die beiden Arbeit war – ich glaube, es hat auch viel Spaß gemacht. :-)

Gewonnen!
Gewonnen!

 

Twitter-Nachlese (eine Auswahl)

Twitter-Nachlese
Twitter-Nachlese

 

Wie man sein Leben umkrempelt

Man weiß erst, was man kann, wenn man aufsteht und beschließt, es zu versuchen
(Dave Kovic)

Zu Besuch im Abendgymnasium Viersen. Hier auf meinem Platz im Biologieunterricht.
Zu Besuch im Abendgymnasium Viersen. Hier auf meinem Platz im Biologieunterricht.

Es ist fast dreißig Jahre her, dass ich beschloss, meinem Leben eine andere Wendung zu geben. Daraus wurde eine Drehung um hundertachtzig Grad – zum Besseren. Das Abendgymnasium Viersen, in dem ich auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur nachgeholt habe, bat mich neulich bei einem Besuch um einen kleinen Rückblick, den ich sehr gerne verfasst habe. Jetzt auch hier: Über harte Arbeit, Mut, Durchhaltevermögen und Zufriedenheit.

Wie fing es an?

Wenn man, wie ich, ein Spätzünder ist und das normale Tages-Gymnasium im Teenageralter nicht als Chance, sondern als Last begreift, kann eine klassische Schulversager-Karriere folgen. Zweimal sitzengeblieben, kurz vor dem Abitur die Schule abgebrochen, immerhin mit einer mittleren Reife in der Tasche, so hieß damals die absolvierte 10. Klasse. Es folgte eine Ausbildung im kaufmännischen Beruf bei einem Wohnungsbau-Unternehmen. Ich wusste schon am zweiten Tag, dass das nichts für mich ist, biss mich aber durch die Ausbildung durch und arbeitete anschließend noch etliche Jahre in diesem Beruf. Man arrangiert sich halt. Und ein festes Einkommen ist auch nicht zu verachten.

Irgendwann kam aber die Erkenntnis, dass ich so nicht weitermachen wollte bis zur Rente. Ich schrieb damals einige Jahre nebenbei (unter meinem Geburtsnamen Abrahams) für eine kleine Lokalzeitung, musste mich mit den unterschiedlichsten Themen und Menschen auseinandersetzen (Stichworte: Pudelzuchtverein, neue Kirchenorgel, Fotoausstellung, Renovierung des Stadtbades, Karnevalssitzungen) und habe oft genug überraschende Erkenntnisse gewonnen. Das schien mir ein verlockender Beruf zu sein: Lokalredakteur. Menschen kennenlernen und über sie, und was sie tun, zu schreiben. Eine Überlegung kam zur anderen: am besten das Abitur nachholen, dann studieren, Journalistin werden. So kam die Anmeldung am Abendgymnasium zustande.

Der Alltag bzw. der Allabend im Abendgymnasium

Mein erster Schultag war im Februar 1986. Ein seltsames Gefühl, wieder die Schulbank zu drücken, daran kann ich mich gut erinnern. Aber etwas hatte sich geändert, und zwar von Grund auf: die Motivation. Alle, die dort saßen, hatten sich aus guten Gründen und nach reiflicher Überlegung entschieden, das Abitur nachzumachen und saßen in der Schule nicht die Zeit ab, sondern wollten wirklich etwas lernen. Entsprechend waren auch die Lehrer eingestellt: sie dozierten nicht, sondern arbeiteten mit uns zusammen, es war ein völlig anderes Verhältnis. Auf Augenhöhe und keine Machtstruktur.

Es folgten zweieinhalb Jahre harter Arbeit für mich: tagsüber in Vollzeit berufstätig, direkt nach Büroschluss in die Schule, von Montag bis Freitag, gegen 22.30 Uhr zu Hause. Freizeit fand bestenfalls am Wochenende statt, wenn ich nicht gerade mit Lernen beschäftigt war. Eines habe ich schnell begriffen: man darf nicht nur irgendwo weg wollen, sondern man muss ein klares Ziel vor Augen haben, zu dem man hin will, sonst ist ein solcher Kraftakt nur schwer zu schaffen.

Unsere Klassengemeinschaft war sehr bunt gewürfelt: zur Hälfte bestand sie aus den Schülern vom Nikolauskloster in Jüchen (Priesteranwärter, die das Abitur auf dem Weg zum Theologiestudium absolvieren wollen), die andere Hälfte waren Junge und Ältere, Singles, Mütter, Väter, Berufstätige aller Art. Nicht alle haben es geschafft, die Schulzeit durchzuziehen, und einige sind „unterwegs“ abgesprungen. Aber wir hatten eine nette Truppe beisammen, wir halfen uns, haben uns auch am Wochenende hin und wieder zum Lernen getroffen und uns immer wieder gegenseitig motiviert, wenn es den einen oder anderen „Durchhänger“ gab. Daneben hatten wir aber auch viel Spaß – und eine denkwürdige Klassenfahrt nach Rom.

Damals gab es nur drei Leistungskurse zur Auswahl: Deutsch, Biologie und Mathe. Mathematik war noch nie meins, also habe ich Deutsch und Bio belegt. Zu meinem Glück mit den beiden besten Lehrern meiner gesamten Schullaufbahn (und die war ja nicht gerade kurz, siehe oben). Diesen beiden bin ich zu großem Dank verpflichtet. Im Deutsch-Leistungskurs habe ich vom vernünftigen Strukturieren von Texten bis hin zur Analyse das komplette germanistische Rüstzeug gelernt, was mir später im Studium sehr nützlich war, und ich habe oft dankbar an diesen Unterricht zurückgedacht. Und der Biologielehrer stammte aus der Landwirtschaft und hatte eine unnachahmliche Art, komplizierte Zusammenhänge am Beispiel seiner eigenen Schweinezucht und Hühnerhaltung zu erklären. Genetik war auf diese Weise schnell mein Lieblingsgebiet, und ich steigerte meine Note in Biologie von einer anfänglichen Fünf auf eine zwei plus im Abi. Das große Interesse an Naturwissenschaften ist mir bis heute erhalten geblieben, und auch später im Studium habe ich mich bemüht, nach Möglichkeit interdisziplinär zu arbeiten, was ich wesentlich interessanter fand als mich in irgendein germanistisches Spezialgebiet zu vertiefen.

Der radikale Wechsel

Und dann hatte ich das Abitur tatsächlich in der Tasche, mit einem Schnitt von immerhin überdurchschnittlichen 2,4 – und stand vor einer schweren Entscheidung: sollte ich wirklich noch mit inzwischen knapp 30 ein Studium anfangen? Andererseits, wozu hatte ich sonst die Mühe auf mich genommen? Ich bin also ins kalte Wasser gesprungen, habe Job und Wohnung gekündigt, bin zu meinem damaligen Freund und heutigem Ehemann nach Neuss gezogen und schrieb mich zum Magisterstudiengang an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf ein, für Germanistik und Anglistik (ab 3. Semester Politikwissenschaft).

Mit dem Studium wurde für mich alles anders. Damals gab es das Bachelor- und Masterstudium noch nicht, mit mehr oder weniger vorgefertigten Bildungsverläufen. Ich konnte mich – im Rahmen der Studienordnung – weitestgehend frei entfalten. Es gab eine aufregende akademische Welt zu entdecken! Ich konnte mich kaum entscheiden zwischen all den interessanten Angeboten und versuchte, so viel wie möglich in meinem Stundenplan unterzubringen. Und verstand die jungen Studenten überhaupt nicht, die mit der Mimik der Mühseligen und Beladenen lustlos den ganzen Tag in der Caféteria saßen.

Es gab schwierige Zeiten, wo es bei meinem Mann beruflich nicht gut lief und das Geld trotz Bafög und Ferienjobs extrem knapp war. Als unser Sohn auf die Welt kam, wurde es noch komplizierter. Aber: ich hatte ja bereits auf dem Abendgymnasium gelernt, mich durchzubeißen, und zur feierlichen Übergabe der Magisterurkunde am Ende des Studiums waren Mann und Sohn mit dabei und ich weiß noch genau, wie ungeheuer stolz ich war, dass ich es geschafft hatte und der Kleine es schon miterleben konnte.

Das Absolvieren einer Prüfung ist nie das Ende, sondern immer ein Anfang. Mit Mitte dreißig noch irgendwo als Quereinsteiger bei einer Zeitung unterkommen? Ohne redaktionelle Ausbildung? Das konnte ich vergessen. Ein Volontariat wollte mir aber auch niemand geben, dafür war ich zu alt. In meinen früheren kaufmännischen Beruf konnte ich nicht zurück, dafür war ich – wegen des Studiums – inzwischen „überqualifiziert“. Ich fühlte mich zeitweise wie der Hauptmann von Köpenick. Ich hangelte mich von Aushilfsjob zu Aushilfsjob, schlug mich mit dem Arbeitsamt herum (weil ich in keine Schublade passte) und habe in dieser Zeit vor allem gelernt, Formulare und Bürokraten leidenschaftlich zu hassen.

Ein neuer Anfang und noch nicht das Ende

Ich hatte riesiges Glück, dass der Zufall mich eines Tages in das Büro des damaligen Fernsehchefs beim WDR in Köln spülte. Er selbst hatte keinen Job für mich, vermittelte mich aber an eine Kollegin, und die wiederum an einen anderen Kollegen, der offenbar von meinem Lebenslauf beeindruckt war – und plötzlich war ich freie Mitarbeiterin bei einem Fernsehsender. Und blieb es einige Jahre, bis ich schließlich auf eine feste Stelle rücken konnte.

Auf der bin ich heute noch, arbeite an den Internetseiten für ein tägliches Verbrauchermagazin und einige andere Fernsehsendungen, die in unserer Redaktion produziert werden. Ich mache zwar keine Lokalpresse mehr, was ja mein ursprünglicher Plan war, aber habe trotzdem jeden Tag mit neuen, interessanten Menschen und aktuellen Themen und einer solchen Fülle an Informationen zu tun, dass es oft genug eine Herausforderung ist, den Überblick zu behalten.

Fazit

Heute gibt es viele weitere Möglichkeiten, das Fachabitur oder das Abitur nachzuholen, tagsüber, mit Bafög-Unterstützung, online, im Baukastensystem. Und die Schulwoche am Abendgymnasium ist auch nur noch von montags bis donnerstags. Mein Abiturjahrgang war wohl einer der letzten, der am Abendgymnasium noch auf die „klassische“ Weise bis zum Abi gelernt hat.

Egal, wie schwer es zeitweise war – ich habe die Entscheidung, meinen früheren frustrierenden Job an den Nagel zu hängen und mein Leben umzukrempeln, nie bereut. Nie. Kein einziges Mal. Ich sitze zwar wieder täglich in einem Büro – aber wie anders ist das alles im Vergleich zu früher. Ganz, ganz anders. :-)

Friedhof Dülken

Och nö – schon wieder ein Friedhof?

Friedhöfe haben den Vorteil, dass es sie überall gibt. :-) Ich habe meiner damaligen Wahlheimat Dülken (Ortsteil von Viersen), wo ich von 1984 bis 1988 gewohnt habe, nach langer Zeit wieder einen Besuch abgestattet. Und dabei war mir aufgefallen, dass ich noch nie den dortigen Friedhof gesehen hatte. Zwei Fliegen mit einer Klappe.

Dülkener sind ein lautes, handfestes, originelles Völkchen. Entsprechende Erwartungen hatte ich also an die letzten Ruhestätten der Einwohner. Ich wurde nicht enttäuscht. Alte, monumentale Figuren neben modernen, filigranen, ungewöhnlichen, und trotzdem alles harmonisch. Erstaunlich war die Anzahl und Größe sehenswerter Figuren, so dass tatsächlich viele Bilder im Hochformat aufgenommen sind, mehr als sonst.

 

Trier! Die Römer! Die Mosel!

IMG_9081aWanderer, kommst Du nach Trier, geh nicht in die Fußgängerzone!

Diese Reise kam zustande wie üblich: Ort mit möglichst viel Geschichte, Anfahrt mit dem Auto nicht länger als zwei bis drei Stunden, innerorts alles fußläufig erreichbar (ich erinnere an die Reisebedingungen für Brügge) und nette Umgebung für etwaige Ausflüge. Ein Artikel in der FAZ brachte die Erleuchtung: Trier sollte es sein. Älteste Stadt Deutschlands. Reichhaltige Funde aus der Römerzeit. Frei nach dem Motto: wer Rom liebt, wird auch Trier mögen. Hotel gebucht, Mietwagen, verlängertes Wochenende geplant, Reiseführer gekauft und los. Das Wort „verschandelt“ in der Unterzeile hatten wir geflissentlich überlesen.

Trier ist schön. Punktuell. An denjenigen Stellen, wovon auch Fotos im Reiseführer sind. Der Hauptmarkt, die Porta Nigra, der Dom, die Konstantinsbasilika. Dazwischen macht man am besten die Augen fest zu. Die Innenstadt ist Fußgängerzone, mit den üblichen Filialen der üblichen Geschäfte. Und damit meine ich nicht nur die Hamburger-Kette, sondern Bekleidung, Schuhe, Billig- und Drogeriemärkte, das gewohnte Bild. Man könnte sich auch in Gelsenkirchen, Neuss oder Castrop-Rauxel befinden.

Erst im Laufe der Zeit stellt sich heraus, dass man die richtigen Ecken kennen muss. Da landet man per Zufall in einer Fußballkneipe, und die Wirtin ist ein Musterbeispiel an Orts- und Menschenkenntnis gleichermaßen, erzählt aus ihrem Leben und weist den richtigen Weg heim. Das Ganze allerdings in einem sehr ungewohnten Dialekt. :-) Oder der Posthof, der am Abend stimmungsvoll beleuchtet ist und auf ein Bierchen oder Glas Wein einlädt. Überhaupt ist die Stimmung in der Stadt am Abend eine ganz andere – wie gesagt, wenn man die richtigen Ecken findet. Und die Menschen sind sehr, sehr freundlich, egal ob im Café, im Hotel oder anderswo – wenn man fragt, bekommt man ausführliche und profunde Antwort.

Zu den Einzelheiten:

Porta Nigra
Porta Nigra

Die Porta Nigra ist völlig überlaufen. Bitte nur kurz hingehen, versuchen, ein Foto zu machen, wo keine Menschenmassen drauf sind, und wieder weg.

Dom und Liebfrauenkirche
Dom und Liebfrauenkirche

Dom und Liebfrauenkirche müssen zusammen genannt werden, denn sie hängen praktisch zusammen. Ein beeindruckendes Kirchenbau-Ensemble, dabei sind das nur die „Reste“ eines gigantischen Kirchengeländes, das es im Mittelalter dort gegeben haben muss. Alleine das Taufbecken war damals um die 64 Quadratmeter groß, wird überliefert.

Konstantinsbasilika
Konstantinsbasilika

Die Konstantinsbasilika ist die größte Basilika überhaupt nördlich der Alpen, wiederaufgebaut und beeindruckend riesig.

Rheinisches Landesmuseum
Rheinisches Landesmuseum
Römische Trinkgläser
Römische Trinkgläser
Trierer Goldschatz
Trierer Goldschatz

Das Rheinische Landesmuseum präsentiert sich hell, luftig und bescheiden, dabei wäre gerade hier (wenn schon für irgendetwas in Trier) die Werbetrommel angebracht: in der Sonderausstellung „Ein Traum von Rom“ finden sich wunderbare Fundstücke aus der Römerzeit, anschaulich und ansprechend präsentiert, mit vielen kleinen und großen Schätzen und einem richtigen Goldschatz, der erst vor zwanzig Jahren bei Bauarbeiten gefunden wurde. Im angegliederten „Café Zeitsprung“ kann man eine Pause machen, Kleinigkeiten essen und die Ausstellung noch einmal in Ruhe überdenken.

Amphitheater
Amphitheater

Das Amphitheater ist leider nur noch eine Ruine, es sind keine Sitzreihen in den oberen Rängen mehr da. Trotzdem immer noch die aus solchen Veranstaltungsorten bekannte gute Akustik und die Möglichkeit, unterhalb der Arena durch dunkle, feuchte Gänge zu gehen und sich zu gruseln.

Kaiserthermen
Kaiserthermen

Die Kaiserthermen: nie in Betrieb gewesen, im Gegensatz zu den Barbarathermen, die man aber leider nicht besichtigen bzw. nur von einer Aussichtsplattform fotografieren kann. Im Grunde sind die Kaiserthermen eine Bauruine, aber eine sehenswerte. Die damals geplanten Dimensionen sind selbst für eine Alterumswellnessoase beachtlich.

Trier, Stadtansicht
Trier, Stadtansicht

Ein versöhnlicher Blick über die Stadt ergibt sich vom Westufer aus. Man kann mit dem Auto bis knapp unterhalb der Mariensäule im Stadtteil Pallien/Markusberg fahren und das letzte Stück zu Fuß hochklettern. Dieser Ausflug ist für den Spätnachmittag zu empfehlen, vorzugsweise bei schönem Wetter, da die Stadt dann in der Abendsonne liegt. Der Dom, die Liebfrauenkirche, die Basilika und die Kaiserthermen lassen sich dann gut ausmachen, mit einiger Mühe auch die Porta Nigra. Vor allem bietet sich ein wunderschöner Blick auf die Mosel, die gerade an dieser Stelle in der Flussmitte eine schmale, langgestreckte Insel aufweist.

Fazit
Die mehr oder weniger scheußliche Innenstadt – auch der Hauptmarkt mit einigen sehenswerten Gebäuden und das eine oder andere Haus im Jugendstil können es nicht herausreißen -, dafür kann Trier nichts. Im Krieg stark zerstört, musste, wie in so vielen Städten, alles möglichst schnell wieder aufgebaut werden. Für Restaurierungen gab es kein Geld, keine Zeit, und die Sorgen waren andere.

Schade jedoch, dass Trier aus diesen Pfunden, mit denen es heute zweifelsfrei wuchern kann, so wenig macht. Nicht, dass ich es unbedingt brauche, aber ich habe beispielsweise in der Stadt keinen einzigen Andenkenladen gesehen, bestenfalls zufällig ein paar Umhängetaschen mit „Trier“-Schriftzug. Nach Informationsbroschüren muss man am besichtigten Objekt selbst fragen, dann gibt es auch welche, informative Faltblätter, Museumspläne, Lektüre, im Museumsladen des Rheinischen Landesmuseums dann endlich auch ein paar Mitbringsel für daheim.

Es fehlt ein durchdachtes Konzept, die Innenstadt auf den Wegen zwischen den Sehenswürdigkeiten für Besucher ansprechend zu gestalten und die reiche und interessante Geschichte Triers – immerhin einst größte römische Stadt diesseits der Alpen – angemessen hervorzuheben. Es gibt Hinweisschilder zu den Sehenswürdigkeiten, reichlich. Fußgänger finden sich gut zurecht. Aber wenn man ausnahmsweise per Auto unterwegs ist – wir wollten die Kirche St. Paulin im Norden der Stadt anfahren und vorher das Amphitheater besuchen – fehlen entsprechende Hinweise, wenigstens auf das Amphitheater. Zum Glück hatten wir einen Stadtplan und wussten, wie wir es ansteuern mussten – Hinweisschilder haben wir auf der Strecke keine gesehen, erst unmittelbar davor. Ich musste das Lenkrad beinahe herumreißen, sonst wäre ich an der Einfahrt zum Parkplatz vorbeigefahren. Und nicht jeder kann immer alles zu Fuß machen.

Ein Tagesausflug oder auch zwei Tage lohnt sich für Trier auf jeden Fall – für Rom-Begeisterte und/oder Shopping-Süchtige. Wer einfach nur ein malerisches altes Städtchen mit dem entsprechenden Flair genießen will, wird eher einige Kilometer weiter an der Mosel entlang auf seine Kosten kommen.

Fotogalerie:

Friedhof St. Paulin, Trier

Ausgangspunkt: die Kirche St. Paulin in Triers Norden, laut Wikipedia Spätbarock (sehr sparsam im Stil, ich hätte eher auf Rokoko getippt), deren Innenausstattung vom berühmten Balthasar Neumann (Würzburger Residenz, Schloss Augustusburg, Brühl) entworfen wurde. Eine wunderschöne Kirche, deren reich verzierter Innenraum trotzdem nicht überladen wirkt.

Um die Kirche herum gruppiert sich der Friedhof der Pfarre, so, als ob die Kirche auf die Verstorbenen aufpasst. Viel Zeit war leider nicht, aber einige schöne Fotos sind doch entstanden – und diesmal ohne Massenware Gipsengelchen. 😉
 

Fancy Klöppeln!

Seit ich im September 2013 einen Bericht über unsere Reise nach Brügge/Belgien geschrieben und hier veröffentlicht habe, wundere ich mich: fast täglich wird auf meiner Homepage dieses Foto angeklickt:

Klöppeln für Anfänger
Klöppeln für Anfänger

Man sieht in ganz groben Zügen, wie ungefähr das Klöppeln, die alte Handwerkstechnik (oder ist es eine Handarbeitstechnik?), funktioniert. Und da es wirklich nur sehr grob die in Wirklichkeit weitaus filigranere Technik wiedergibt, habe ich das Foto mit „Klöppeln für Anfänger“ untertitelt. Und ein bisschen sieht es ja auch so aus, als sei es in einer belgischen Schule im Handarbeitsunterricht entstanden.

Nur: wieso klicken so viele Menschen dieses Bild an? Wenn sie über den Suchbegriff „Brügge“ oder „Flandern“ auf meine Seite geraten sind, müsste ich es in der Statistik sehen. Dann wären auch einige andere Bilder oder die Reiseberichtsseite selbst angeklickt. Das ist aber nicht so. Nein, offensichtlich wird gezielt nach „Klöppeln für Anfänger“ gesucht. Mich wundert, dass überhaupt noch jemand weiß, was „Klöppeln“ eigentlich ist.

Grundsätzlich finde ich es schön, wenn Menschen sich für uralte Fertigkeiten begeistern können, habe jedoch meine Zweifel, dass ausgerechnet das Interesse am Klöppeln dermaßen ausgeprägt ist. Ich frage mich, was sie in Wirklichkeit suchen. Peter Klöppel? Ist der Nachrichtenmann bereits ein Verb geworden – klöppeln? Oder wird irgendwas mit Kirchenglocken gesucht und wie man sie anschlägt – klöppeln? Oder suchen meine Besucher gar die körperliche Auseinandersetzung und meinen in Wirklichkeit „Kloppen für Anfänger“?

Ich werde das Rätsel so lange nicht lösen können, bis sich einer der Besucher zu erkennen gibt und mir mitteilt, warum er auf genau dieser Seite surft und was er eigentlich gesucht hat.

Bis dahin: weiterhin herzlich willkommen auf meiner Homepage. :-)

UPDATE:

Ganz schnell schon hat sich eine Dame bei mir gemeldet, die von der Großmutter Klöppel geerbt hat und es gerne lernen möchte, aber niemanden weiß, der es ihr beibringt.

Neugierig geworden, habe ich mich auf die Suche gemacht und siehe da: es gibt in Deutschland sogar eine regelrechte „Klöppelszene“! Und Internetseiten mit Anleitungen. Wenn man den dortigen Anleitungen glauben darf, scheint es gar nicht soooo kompliziert zu sein.

Googeln kann jeder, aber trotzdem hier ein paar Links auf Seiten, die ich über Klöppeln gefunden habe – damit Ihr nicht ganz umsonst hier wart:

www.diekloeppelkiste.de

www.Teddys-Handarbeiten.de

Und hier gibt es sogar „Klöppelbriefe“ – Anleitungen: www.heimwerker.de

Im falschen Film (2)

Erfreuliche Nachrichten für alle Vanessa Mansini-Fans: „Im falschen Film“ geht weiter! Am 15. Mai 2014 soll die zweite Staffel erscheinen.

Eine kurze Beschreibung der ersten Staffel hatte ich schon im Januar veröffentlicht, weitere Infos zur ersten und zweiten Staffel und über den Autor, der hinter dem Pseudonym Vanessa Mansini steckt, findet Ihr hier: http://michaelmeisheit.de/im-falschen-film/.

Zum Start der zweiten Staffel gibt es ein Gewinnspiel, das es in sich hat: wann hat man schon die Möglichkeit, sich vom Autor höchstselbst alle Orte zeigen zu lassen, an denen das Buch spielt? Denn das ist einer der zahlreichen attraktiven Preise. Einzelheiten zum Gewinnspiel sind auf dieser Seite zu finden: Gewinnspiel

Friedhof Viersen

Nach langer Zeit ein Besuch auf dem Viersener Friedhof. Das ist vermutlich der, auf dem ich am häufigsten gewesen bin, denn in Viersen bin ich aufgewachsen und zwangsläufig gab es immer wieder Anlass, das Friedhofsgelände zu besuchen.

Der heutige war das Familiengrab, für das eine Entscheidung getroffen werden muss. Den Grabstein versetzen? Die Einfassung entfernen lassen? Doch noch einmal um einige Jahre verlängern? Ich nutzte den Besuch – natürlich! – wieder, um Fotos zu machen, und sah den Friedhof, den ich gut zu kennen glaubte, mit völlig anderen Augen.

In meiner Erinnerung wurde er dominiert von düsteren Grabreihen, von dunklen Nadelhölzern, von dicht beieinander liegenden Gräbern – nichts davon stimmt. Sicherlich trug das schöne Wetter dazu bei, aber ich fand mich auf einem friedlichen, luftigen, weitläufigen Parkgelände wieder. Die vielen eng gesetzten Sträucher zwischen den Grabreihen sind weg, man kann weithin sehen, es hat beinahe etwas Heiteres, nichts Bedrückendes mehr.

Besonders schön: wie auf vielen Friedhöfen gab es auch in Viersen die Grabstätten der oberen Zehntausend, Firmengründer, Ärzte, Anwälte, mit der entsprechenden pompösen Ausstattung in Form von gewaltigen Grabmälern. Viele dieser Gräber sind inzwischen aufgelassen, aber die Grabmäler hat man stehen lassen. So wirken sie eher wie monumentale, eigens zu diesem Zweck geschaffene, würdevoller Kunstwerke, nicht wie Grabgestaltung, und verschönern den Friedhof auf ganz seltsame Weise.

Im ältesten Teil des Geländes gab es erstaunlich viel zu fotografieren, und die vielerorts so verbreiteten Gipsengelchen sind zum Glück in der Minderzahl. Zwei habe ich dennoch fotografiert, denn sie sind auf dem Grab eines viel zu früh gestorbenen kleinen Engels in der Familie…

Mein heutiges Lieblingsfoto ist das hier:

Kolumbarium
Kolumbarium

Die ehemalige Friedhofskapelle ist in den letzten Jahren zum Kolumbarium umgebaut worden. Auch in Viersen wird die Urnenbestattung immer beliebter. Dieses Kreuz stand in einem der Räume unbeachtet auf dem Boden…

Üblicherweise bearbeite ich meine Fotos, so dass lediglich das anonymisierte Grab, aber kein Name zu sehen ist. Das folgende Foto ist eine Ausnahme:

Friedhof Viersen, Grab Ruth Kaiser
Friedhof Viersen, Grab Ruth Kaiser

Ruth Kaiser war eine bekannte Viersener Fotografin, die mit Leidenschaft ihre Heimatstadt in wunderbaren Aufnahmen festhielt. Sie war überall bekannt und beliebt, und diese Gestaltung ihres Grabsteins ist die einzig passende. :-)

Und hier die weiteren Fotos als Galerie:

Elke Bergsma: Puppenblut

Elke Bergsma: Puppenblut
Elke Bergsma: Puppenblut

Eine intakte Dorfgemeinschaft – das sind die Einwohner von Loppersum, in dem Elke Bergsmas neuester Krimi Puppenblut spielt. Ein Dorfgemeinschaft, wie man sie sich vorstellt: man kennt sich seit Jahrzehnten, sieht die Kinder aufwachsen und zu eigenständigen Menschen werden, sieht die Stärken und Schwächen jedes Einzelnen und akzeptiert sie, oder sieht großzügig darüber hinweg. Und: man teilt stillschweigend düstere Geheimnisse.

Denn auch darum geht es in Elke Bergsmas neuestem Buch: Ein Todesfall, der elf Jahre zurück liegt und plötzlich wieder die Dorfgemeinschaft durcheinander bringt, ein neuer Mord, zwei verschwundene Personen – und mittendrin Kommissar Büttner und sein Assistent Hasen… äh… dings… Hasenkrug, die die Fäden entwirren wollen. Was nicht einfach ist. Denn üble Typen bevölkern das Ermittlungsgebiet in und rund um Loppersum und bis nach Hamburg, und auch eine Puppenstube spielt eine makabre Rolle. Wie gehört das alles zusammen?

Ein schwieriger Job für Kommissar Büttner, der sich nicht nur einem komplizierten Kriminalfall, sondern auch Buttercreme-Verlockungen in Aafke Mudders Krämerladen ausgesetzt sieht.

Ein großes Lesevergnügen, in dem nicht nur Elke Bergsma den verwirrenden Fall gewohnt gekonnt auflöst, sondern auch die kauzigen ostfriesischen Typen ihrer Bücher wieder reichlich Auftritte haben, die dem Krimi über den Lokalkolorit hinaus die gewisse Würze geben.

Reisen in Zeiten des Flightradars

Meine erste große Reise, ohne Familie und auf eigene Faust, führte mich mit Rucksack und Interrail-Ticket quer durch Skandinavien nach Finnland. Das war 1978, ich ging noch zur Schule und hatte mir das Geld für diesen Trip in den Sommerferien mit Fließbandarbeit in einer Kosmetik-Fabrik verdient. Rückblickend weiß ich, wie viele wertvolle Erfahrungen man auf einer solchen Reise sammelt, wie tief sich Erlebnisse einprägen und wie gern man sich später daran erinnert – auch und manchmal gerade dann, wenn es Pannen gab. Damals war ich wirklich völlig auf mich allein gestellt, konnte aus Kostengründen nur alle paar Tage mal zu Hause anrufen oder eine Postkarte schicken.

Seit Jahren lag ich nun dem Sohn in den Ohren: reise! Fahr ins Ausland! Sieh Dich ein bisschen um! Man lernt nirgends und niemals so viel wie beim Reisen auf eigene Faust, und wenn man sich in einer fremden Sprache verständlich machen muss. Und wo sonst hat man so unerwartet unterhaltsame Reisegefährten, so aufregende, lustige, zauberhafte Begegnungen mit fremden Menschen, die einem weiterhelfen, zum Lachen bringen oder im Ernstfall alle Wege ebnen.

Und nun war es endlich so weit. Heiß ersehnt, viel diskutiert und lange geplant: der Sohn startete eine zweiwöchige Kalifornien-Reise. Für viele mag der Sprung über den großen Teich zum normalen Urlaubs- oder auch Dienstreisealltag gehören, für einen jungen Menschen, der noch nicht allzulange über ein annehmbares eigenes Einkommen verfügt, ist es etwas Besonderes.

Aber wie anders läuft heute die Vorbereitung eines solchen Trips ab. Für diese „Digital Natives“ ist „Reisebüro“ ein Fremdwort. Auskünfte werden online in Foren und Nachschlagewerken gesucht, Flüge, Wohnungen und Mietauto quasi nebenbei übers Internet gebucht. 1978 unvorstellbar. Er werde mich auf dem laufenden halten, versprach der Sohn. Und hielt Wort, schon bevor es überhaupt losging. Es fing damit an, dass mein iPhone mir plötzlich meldete, dass mein Sohn einen Fotostream eingerichtet hat für seine Amerikareise, so dass ich sofort alle Fotos sehen kann, die er hochlädt, ohne darauf warten zu müssen, dass er sie twittert oder über Facebook schickt oder noch schlimmer: erst mal nach Hause kommen und den Film entwickeln lassen muss. Wie ich, 1978. :-)

Die Anreise verlief von Düsseldorf über Paris, und von dort nonstop nach San Francisco.

Start in Düsseldorf
Start in Düsseldorf

Natürlich weiß ich, dass so gut wie jeder Flughafen inzwischen über eine Internetseite und eine aktuelle Ankunft- und Abflugtafel verfügt, so dass ich verfolgen kann, ob der Flieger pünktlich gestartet und gelandet ist. Aber es geht noch komfortabler: mit „Flightradar„. Ich kann jederzeit während der Reise sehen, wo der Flieger gerade ist, kann Screenshots machen, kann parallel am Ziel zur Bestätigung auf die Ankunftstafel des Flughafens schauen, es ist unglaublich. Die nächste Stufe wird dann ein Live-Bild aus dem Cockpit sein oder so. Als Simulation gibt es auch das schon.

Einziger Haken: über Grönland verliert sich das Signal, und was ich 1978 gar nicht erst erfahren hätte: die Maschine ist für eine Weile nicht auf dem Schirm. Zumindest nicht beim „Flightradar“. Kein Grund zur Beunruhigung, sage ich mir, in Grönland stehen vermutlich nicht so viele Stationen herum, die die Signale weitergeben. Und richtig: kaum nähert sich der Air France-Flug dem nordamerikanischem bzw. kanadischen Festland, ist das winzige Maschinchen auf meinem Bildschirm wieder da.

Landeanflug San Francisco
Landeanflug San Francisco

Die ersten Fotos sind inzwischen auf dem Fotostream eingelaufen und ich bestaune das Mietauto, mit dem mein Sohn auf der anderen Seite vom Globus gerade herumfährt, und die Wohnung, die er in San Francisco für einige Tage bewohnt.

Gesamtflugstrecke
Gesamtflugstrecke

Schöne neue Welt… 😉