Streifen

Heute habe ich in der FAZ einen Bericht über den Fotografen Jürgen Bartenschlager gelesen, der aus Fotografien von seinen Reisen faszinierende „Streifenbilder“ anfertigt: Landschaften, Bauten, Natur reduziert auf Streifen und Farben.

Ich habe daraufhin selber ein bisschen mit Photoshop und einigen Fotos herumgespielt – hier meine Galerie:

Torero
Torero
Sonnenuntergang
Sonnenuntergang
Sonnenaufgang
Sonnenaufgang
Schmetterling
Schmetterling
Mondlicht
Mondlicht
Kirschblüte
Kirschblüte
Brügge
Brügge
Astern
Astern
Strandflieder
Strandflieder
Sonnenuntergang
Sonnenuntergang
Tüskendörsee
Tüskendörsee
Das Meer bei Emden
Das Meer bei Emden
Gomera 2
Gomera 2
Gomera 1
Gomera 1
Aussicht ins Tal
Aussicht ins Tal
Sonnenuntergang
Sonnenuntergang
Auf dem Meer
Auf dem Meer
Hagebutten im Schnee
Hagebutten im Schnee

Ich weiß nicht, was soll es bedeuten?

Heute ist wieder so ein Tag. Ein Tag, an dem ich mich frage, ob manche Menschen eigentlich wissen, was sie da reden. Okay, das frage ich mich sowieso oft – aber vielen ist die Herkunft mancher Begriffe oder Redensarten ganz eindeutig nicht klar. Selbst Otto Normal-User im Internet nicht, Menschen, von denen man annehmen sollte, dass sie sich mit Sprache beschäftigen, wenn sie schon ihre Gedanken weltweit abrufbar veröffentlichen.

Stegreif
Stegreif

„Stegreif“ ist beispielsweise so ein Wort. Bekannt von Film, Funk und Fernsehen und vor allem von der Redensart „aus dem Stegreif“. Und nein, der Stegreif schreibt sich NICHT mit „h“ – Stehgreif –, denn er hat weder etwas mit Stehen, noch mit einem Greif zu tun. „Stegreif“ ist schlicht und ergreifend (man verzeihe mir das Wortspiel) ein altes Wort für „Steigbügel“. Und wenn man sich einen Reif (veraltet für „Ring“) vorstellt, durch den unten ein Steg läuft, hat man ihn auch visualisiert. So einfach ist das. Wenn man denn die Worte „Steg“ und „Reif“ überhaupt noch kennt. Immerhin spuckt Wikipedia zum Suchbegriff „Reif“ eine Menge Vorschläge aus, darunter eben auch den Ring. „Aus dem Stegreif“ heißt also, bildlich gesprochen, da springt einer praktisch aus vollem Galopp aus dem Sattel, um… ja, irgendwas dringend zu tun, und das völlig unvorbereitet.

Hilfreich ist beim Begriff „Reif“ übrigens auch, wenn man früher „Teekesselchen“ gespielt hat. Und wehe, es fragt jetzt einer, was „Teekesselchen“ ist.

Ein anderer beliebter Ausdruck ist „in Sack und Asche gehen“, was so viel bedeutet wie: etwas bereuen, die Schuld auf sich nehmen. Die Redensart stammt aus der Bibel: als Zeichen der Buße streute man sich Asche aufs Haupt und ging in grobem Leinen (= Sackleinen). Wie überhaupt Asche in Kirchenbräuchen immer wieder eine Rolle spielt. Aschermittwoch, remember? Es gibt da allerdings auch noch den Ausdruck „in Schutt und Asche“, der mehr mit brachialer Zerstörung und weniger mit Buße zu tun hat. Leider werden diese Ausdrücke oft verwechselt. Wenn jemand „in Schutt und Asche geht“, nur weil er etwas bereut, hat er irgendwas extrem falsch gemacht.

Das beste Beispiel seit langem habe ich heute in den Twitternachrichten einer überregionalen Tageszeitung gelesen: „Die heutige Pressekonferenz im Élysée-Palast wird für François Hollande zum Spießroutenlauf.“ Finde den Fehler. Richtig: auch, wenn es um den französischen Präsidenten geht, es ist immer noch die gute alte „Spießrute“ gemeint, und nicht die „Route“, das französische Wort für Straße. Da sind dem Kollegen ein wenig die Vokabeln durcheinandergeraten. Beim Spießrutenlauf handelt es sich um eine Bestrafungsmaßnahme von und an Soldaten, die bis ins 19. Jahrhundert hinein üblich war. Der Delinquent musste eine Gasse durchlaufen, von anderen Soldaten gebildet, und es wurde auf ihn eingedroschen mit… na? Richtig: Ruten. Wem das jetzt zu kompliziert ist, der kann sich vielleicht einfach merken, dass der Nikolaus bösen Kindern eine Rute bringt und keine Route. Und auch keinen Router.

Absichtliche Fehlinterpretationen hingegen können viel Spaß machen. Neueste Spielzeuge für Journalisten, die sich mit Social Media beschäftigen, sind sogenannte „Kuratier-Tools“. „Kuratieren“ lehnt sich an das englische „curating“ an, gemeint ist damit, Beiträge von Mediennutzern zu sammeln, zu sortieren, zu gewichten und schließlich zu präsentieren. Dafür gibt es Progrämmchen, die den Vorgang beschleunigen und erleichtern. Die Worte „Kurator“ oder „Kuratorium“ (im weitesten Sinne für „verwalten“) sind ja recht bekannt und verwandt.

So verkündet ein Kollege heute freudestrahlend, dass er zu einer Veranstaltung eingeladen ist, auf der verschiedene Kuratier-Tools vorgestellt werden.
Schweigen.
„Kuratieren?“, fragt eine Kollegin zögernd, „ist das nicht eine Operationsmethode?“
„Du meinst kürettieren.“
„Iiiihhhhh!!!!“
„Quatsch“, sagt der dritte, „das war früher eine Fernsehserie, ‚Der Kuratier des Zaren‘.“
„Und Kürassiere sind berittene Soldaten“, mischt sich der nächste ein.
„Ziemlich kurios, findet ihr nicht?“
Und, wieder an den ersten Kollegen gewandt: „Was genau sollst du da nochmal lernen??“

Ach ja, und der Titel dieses Artikels ist auch bekannt. Oder? Suchbegriffe: Heinrich Heine, Loreley. Bitte, gern geschehen. :-)
(Reihe wird fortgesetzt)

2013 – persönlicher Rückblick

Rückblickend kann ich sagen: 2013 war ein gutes Jahr. Wie eigentlich jedes Jahr. Vielleicht habe ich auch einfach die Gabe, immer das Positive zu sehen, jedenfalls bin ich am Ende eines Jahres meistens mit der Welt versöhnt.

Dies ist hier kein Jahresrückblick, den man überall nachlesen oder anschauen kann, sondern ein Überblick über das, was von den Ereignissen dieses Jahres bei mir hängengeblieben ist, mich fasziniert hat oder für mich von Bedeutung war. Wenn ich mir Zeitungsbeilagen zum Jahreswechsel oder Rückblicke im Fernsehen anschaue, staune ich oft, wie mühsam ich mich an manches erinnern muss und wie viel ich schon vergessen habe. Ich spare Katastrophenmeldungen hier absichtlich aus. Das heißt aber nicht, dass es mich nicht interessiert, wenn Wirbelstürme, Erdbeben oder Kriege ganze Landstriche verwüsten, oder dass mir nicht nahe geht. Nur um das ganz klar festzuhalten. Es ist nur zuviel, um hier auf alles einzugehen.

Die Welt 2013

 
Der Papst. Nein, die Päpste
Es ist Rosenmontag, der 11. Februar 2013. Wie in jedem Jahr tobt der Karneval in Köln, und bis auf die bedauernswerten Kollegen, die aus dem Gewühle live auf dem Sender berichten müssen, haben alle anderen frei. Trotzdem sitze ich zu Hause am Computer, schließlich geht das Leben anderswo normal weiter und die Nachrichtenlage wird regelmäßig gecheckt. Bis ich auf Twitter die Meldung lese, dass Papst Benedikt XVI, auch bekannt als Joseph Ratzinger, zurückgetreten sei. Ich habe das tatsächlich im ersten Moment für einen Witz gehalten. Schließlich ist Rosenmontag. Und ein Papst tritt auch nicht einfach zurück. Und doch haben wir inzwischen die kuriose und geschichtlich gesehen beinahe einmalige Situation, dass es zwei Päpste gibt. Einen Ex, und einen amtierenden, den Argentinier Jorge Mario Bergoglio, der sich Franziskus nennt und die katholische Kirche zu neuer Bescheidenheit führen will. Als das letzte Mal (im Mittelalter!) ein Papst von seinem Amt zurück trat, gab es noch nicht die Möglichkeit, ein Treffen des alten und des neuen Amtsinhabers im Bild festzuhalten – heute sieht das anders aus:

Screenshot: Papst Franziskus und Ex-Papst Benedikt XVI
Screenshot: Papst Franziskus und Ex-Papst Benedikt XVI

Video der Aktuellen Stunde/WDR

Alles Gute kommt von oben. Sagt man.
Nur wenige Tage später, am 15. Februar 2013: Russische Autofahrer haben oft Kameras auf dem Armaturenbrett montiert und filmen ihre Fahrtstrecke. Warum, weiß ich nicht, aber diese Eigenart und auch vielfach montierte Webcams führten zu spektakulären Videos, die den Einschlag eines Meteoriten in der westsibirischen Stadt Tscheljabinsk zeigten und binnen Minuten im Internet abrufbar waren. Hunderte Menschen wurden verletzt, Gebäude zerstört – von einem Steinchen, das mit unvorstellbarer Wucht aus dem All auf die Erde gekracht ist. Unwillkürlich duckt und fürchtet man sich.

Wir hätten es wissen können
Wir werden alle ausspioniert. Edward Snowdon verrät, dass die NSA Zugang selbst zu unseren privaten Mails, Internetseiten und allem anderen hat, praktisch die ganze Welt ununterbrochen ausspioniert. Ist das wirklich neu? Eigentlich nicht. Man hätte es sich denken können, sogar müssen, wenn man täglich im Netz unterwegs ist. Außer unserer Kanzlerin, für die das Internet ja immer noch „Neuland“ ist. Für mich, nebenbei bemerkt, DAS Wort des Jahres. Erst als bekannt wird, dass ihr eigenes Handy belauscht wurde, kommt halbwegs ernst gemeinter Protest. Für jemanden, der in der Zeit des Kalten Krieges aufgewachsen ist, folgt nun eine verkehrte Welt: Snowdon flüchtet aus den USA – nach Moskau. Ein Amerikaner, der in Russland um Asyl nachsucht – das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.

Wie süß
Generationswechsel in den europäischen Königshäusern: Willem wird neuer König der Niederlande, Philippe in Belgien, und Elisabeth die Zweite freut sich in Großbritannien über Urenkel George, nach Charles und William der nächste Thronfolger. Ist das wichtig? Nein. Aber es freut mich. :-)
 

Abschiede 2013

Eine Generation tritt ab. Um genau zu sein: die Generation vor mir. Es werden immer weniger, und die Einschläge kommen dichter. Menschen, die ich schon als Kind und Teenager bewundert habe, die mich ein Stück weit prägten, deren Sprache und Gedanken einen Teil meines Denkens ausmachen, verschwinden nach und nach. Und sie werden mir fehlen.

Otto Sander: Zum ersten Mal im Fernsehen gesehen irgendwann in den 70er Jahren, in einer Verfilmung von Siegfried Lenz „Lehmanns Erzählungen“ oder „So schön war mein Markt“. Eine Schwarzmarktgeschichte, absurd, wahrheitsgetreu, liebevoll übertrieben, und vor allem: großartig gespielt. Leider habe ich Otto Sander nie auf der Bühne gesehen, aber oft im Fernsehen oder auch im Kino. Und mit dem großartigen Schauspieler ist auch seine unverwechselbare Stimme verschwunden.

Marcel Reich-Ranicki: unbequem vor allem, aber ein brillanter Kopf. Bekannt vom Literarischen Quartett hielt er einige Gastvorlesungen an der Uni Düsseldorf, als ich dort in den 90ern studierte. Der Hörsaal quoll über, und alle hörten andächtig zu – ungewohnt angesichts der üblichen Protesthaltung vieler meiner Kommilitonen. Woran lag’s? Reich-Ranicki hatte Mut, Verstand, Witz, war sperrig, aber vor allem: direkt, ohne Schnörkel, wahrhaftig und aufrichtig.

Dieter Hildebrandt: Offensichtlich schon als Kabarettist auf die Welt gekommen. Unvergesslich seine immer mit Spannung erwarteten Soli in „Schimpf vor zwölf“, den Silvestersendungen im Fernsehen, die ich als größeres Kind bereits schauen durfte – freilich ohne allzuviel von der Politik zu verstehen, die aufs Korn genommen wurde. Aber es war nicht alles politisch, vieles war – neben dem tieferen Sinn für die Erwachsenen – einfach saukomisch. Dieter Hildebrandt zusammen mit den damaligen Kollegen Ursula Noack, Hans-Jürgen Diedrich, Klaus Havenstein und Jürgen Scheller ist bis heute meine Lieblingskonstellation der Münchner Lach- und Schießgesellschaft.

Peter O’Toole: er war mir – neben aller Bewunderung – immer ein wenig unheimlich. Er schien stets geheimnisumwittert, unberechenbar, außergewöhnlich, manchmal ein bisschen verrückt, und seine Filmrollen waren entsprechend. Dabei war er auch ein absolut komisches Talent. Einer meiner Lieblingsfilme mit ihm und Audrey Hepburn war und ist „Wie klaut man eine Million“. Ein Unterhaltungsfilm, ja, aber großartig gemacht, mit einer ausgeklügelten Geschichte. Aber vor allem ein Bild hat sich im Gedächtnis vieler verewigt: Peter O’Toole als „Lawrence von Arabien“ in der Wüste, die eisblauen Augen leuchten aus dem braungebrannten Gesicht – in einem der großartigsten Filme, die es überhaupt gibt.

Peter O'Toole als Lawrence von Arabien
Peter O’Toole als Lawrence von Arabien

 

Reisen 2013

2013 war erneut ein Jahr der Reisen. Inzwischen liebe ich es sehr, unterwegs zu sein. Das Reisejahr begann im Mai, mit einem seit langem geplanten Trip nach Spanien. Ausgangspunkt Valencia, von dort aus Ausflüge nach Xativa und Teruel, dann über Cuenca nach Madrid. Ich war zum ersten Mal in Spanien mit dem Auto unterwegs. Aber selbst für ein Nervenbündel wie mich (zumindest hinterm Steuer) verliefen alle Fahrten erstaunlich entspannt, dank gelassener spanischer Autofahrer und der 120 Km/h-Begrenzung auf der Autobahn.
Ich bin – vom spanischen Festland abgesehen, von dem ich längst noch nicht genug gesehen habe – ein Inselurlauber. Ich liebe diese kleinen, abgeschlossenen Welten mit dem unverstellten Blick nach allen Seiten. Nach 30 Jahren zog es mich nach Borkum, der westlichsten der ostfriesischen Inseln in der Nordsee. Meine Erinnerungen an den letzten Urlaub dort im Jahre 1983 wurden schnell überdeckt von vielen neuen Eindrücken. Am ersten Tag fragte ich mich erschrocken, was ich dort eigentlich wollte – es war so vieles ganz anders geworden. Nach einer Woche jedoch wollte ich gar nicht mehr weg – ich hatte mich wieder in die Insel verliebt. Die nächste Wiederkehr soll nicht mehr so lange dauern.
Gesucht wurde dann für zwei, drei Tage ein Urlaubsziel, das für meinen Mann und mich gleichermaßen geeignet ist: eine Stadt zum Beispiel, die genügend Geschichte und Ziele anbietet (für mich), ohne dass man weit laufen muss (für meinen Mann). Unabhängig voneinander hatten wir dieselbe Idee: Brügge, Flandern, Belgien. Wie das immer so ist, was quasi vor der Haustür liegt, übersieht man, oft jahrelang. Man könnte ja jederzeit hinfahren, sagt man sich – und genau deshalb tut man es nie. Aber jetzt. Endlich. Für drei Tage in der restlichen Woche meines Sommerurlaubs, Anfang September, ein Hotel in der Innenstadt und einen Mietwagen gebucht, einen Stadtführer besorgt und los ging’s!
Natürlich durfte auch in diesem Jahr ein Kurztrip nach Berlin nicht fehlen. Berlin ist zweites Zuhause, dort fühle ich mich wohl, aktiv, frei, und würde am liebsten für immer dort leben.
Schlusspunkt der Reisesaison: Salzburg. Familienbesuche, Wiedersehen mit Menschen, Häusern, Kirchen. Alle werden gemeinsam älter. Auch Salzburg ist vertraut – aber dort leben möchte ich trotzdem nicht. Zu genüsslich wird dort auf Besuchern aus dem großen Nachbarland herumgehackt, ob Familie oder nicht. Irgendwann nervt es einfach nur. Immerhin gibt es auch im altbekannten Salzburg immer wieder neue Ecken zu entdecken, und im Novembersonnenlicht von der Richterhöhe auf das Voralpenland im Süden zu schauen, ist einfach nur atemberaubend schön.

Erlebnisse, die ich in 2013 nicht missen möchte

Bereits erwähnt: Autofahren in Spanien. Wenn ich nur dran denke, überläuft mich normalerweise eine Gänsehaut. Autofahren, wo man sich nicht auskennt? Niemals. Dabei klappt es doch immer viel besser, als man vorher glaubt. Schließlich bin ich auch auf anderen Reisen schon Auto gefahren, dort, wo ich mich nicht auskannte. La Gomera zum Beispiel. Und das war wegen der ganzen Barrancos (Schluchten) wahrscheinlich noch um ein Vielfaches riskanter als eine Autobahn in Spanien. Also tief Luft geholt, Mietwagen gebucht, in Valencia eingestiegen, und los. Alles hat geklappt, Auto und Insassen ohne jede Schramme. So einfach kann es gehen.

Es gibt immer wieder Momente, die auch in der Erinnerung Glücksgefühle auslösen. Einer davon ist: vor dem Eingang vom Prado in Madrid sitzen und dem Gitarristen Edgar Moffat zuhören.

Manchmal bin ich sogar stolz auf mich. Immer dann, wenn ich etwas geschafft habe, das ich vorher nicht für möglich hielt. In diesem Jahr habe ich erstmals ein Buch veröffentlicht, einen Roman. Sicher nicht pulitzerpreisverdächtig, aber eine, wie man mir sagte, bezaubernde Liebesgeschichte.

Worauf ich ebenso stolz bin: meine Flugangst habe ich besiegt. Endgültig. Auf Borkum bin ich tatsächlich in einen dieser winzigen Flieger gestiegen, um einen Inselrundflug zu machen – und hatte nicht eine Sekunde Bedenken oder Furcht, im Gegenteil, ich wäre gerne noch länger oben geblieben.

Ich bin ein ängstlicher Mensch. Was sich manchmal in Abwehrhaltung manifestiert gegen Dinge, die ich nicht kenne. Erst recht, wenn jemand versucht, mir etwas aufzudrängen. Das kann auch eine Fernsehserie sein. Der Sohn bekniete mich über Monate, ich möge mir doch endlich „Breaking Bad“ ansehen – die DVDs der ersten beiden Staffeln standen schon lange im Regal. Irgendwann habe ich angefangen zu gucken, und wollte nach drei Folgen wieder aufgeben. Zu brutal, zu ungewohnt, zu eklig. Ich wurde (zum Glück!!) überredet, weiterzuschauen. Es ist wirklich eine der besten Fernsehserien, die ich bisher gesehen habe, vielleicht sogar die beste. Es stimmt einfach alles: die Story, das Drehbuch, die unglaublichen Kameraeinstellungen, die Schauspieler – ich habe selten eine so geniale Produktion gesehen.

Es passiert mir selten, dass ich innerhalb von wenigen Minuten lache und weine, und schon gar nicht auf einem Friedhof. Aber auch das habe ich in diesem Jahr erlebt. Ich hatte mir vorgenommen, in Berlin den Waldfriedhof an der Heerstraße zu besuchen, gleich neben dem Olympiastadion. Viele Künstler liegen dort bestattet, und vor allem wollte ich zu zwei Gräbern: dem von Loriot, und dem von Horst Buchholz. Für beide Gräber hatte ich auch etwas mitgebracht. Am Grab von Horst Buchholz kam ich zuerst vorbei. Es sah völlig vernachlässigt aus, traurig, verlassen, ungeliebt. Ein so wunderbarer Schauspieler – vergessen von der Welt? Ich legte meine Rose auf dem Grab ab, neben einer Vase voll mit billigen Plastikblumen, und mir stiegen die Tränen in die Augen. Aus den Augenwinkeln sah ich im Boden einen Stein: es handelte sich um ein Ehrengrab der Stadt Berlin. Als ich wieder zu Hause war, habe ich die Friedhofsverwaltung angeschrieben, ein Foto mitgeschickt und darum gebeten, das Grab wieder in Ordnung zu bringen und ansehnlich zu gestalten. Das hat man mir in zwei sehr freundlichen Antwortmails auch zugesagt. Beim nächsten Berlin-Besuch werde ich bestimmt nachsehen… 😉
Tja, und dann kam ich zu Loriots Grab und musste lachen: Fans haben das ganze Grab mit kleinen Plastikenten „verschönert“, im Gedenken an einen seiner bekanntesten Sketche: „Lassen Sie sofort die Ente zu Wasser!“. Ich hatte vorher in einigen Zeitungsartikeln Fotos vom Grab gesehen und war vorbereitet: die beiden Plastikenten vom Sohn und mir fanden links unten am Grabstein noch einen Platz.

Loriots Grab auf dem Waldfriedhof Heerstraße, Berlin
Loriots Grab auf dem Waldfriedhof Heerstraße, Berlin

Erfahrungen in 2013, auf die ich künftig verzichten kann

Ich bin ganz sicher nicht der einfachste Reisegenosse. Ich bin wissensdurstig, bewegungsfreudig, kann sehr gut ohne Frühstück losziehen, den ganzen Tag herumlaufen und abends immer noch nicht genug haben. Wenn ich aber beschließe, Urlaub mit jemandem gemeinsam zu verbringen, passe ich mich an, Unternehmungen, ob gemeinsam oder getrennt, werden abgesprochen, damit niemand zu kurz kommt und alle Interessen möglichst berücksichtigt werden. Kompromisse bleiben dabei nicht aus, aber damit kann ich umgehen. Bisher hat das auch immer gut geklappt. Man muss nur den Mund aufmachen.
Was ich ganz sicher nicht mehr tun werde ist, mit jemandem Urlaub zu verbringen, den ich vorher noch nie gesehen habe. Man kann sich über viele Mails, Nachrichten, Fotos und Videos noch so sehr mögen und glauben, sich zu kennen – im wirklichen Leben sieht dann plötzlich vieles anders aus. Wenn vorherige Absprachen plötzlich nicht mehr gelten, wenn man nur von oben herab behandelt wird, ohne den Grund dafür zu kennen, wenn selbst auf besorgte Nachfragen (weil irgendetwas nicht zu stimmen scheint) alles immer ganz prima ist und man erst hinterher erfährt, dass genau dieser schöne Ausflug oder genau jene vorher ausdrücklich gelobte Reiseroute in Wirklichkeit totale Scheiße war, wenn jemand einem heile Welt vorspielt, anstatt das Maul aufzumachen, und hinterher giftige Pfeile abschießt – dann ist einem im Nachhinein die Freude verdorben. Und schlimmer: eine große Chance vertan, auf einen Menschen zuzugehen und etwas über ihn und sein Leben zu erfahren. Es ist einfach nur verlogen und unfair. Und sehr, sehr schade. Kontakt haben wir keinen mehr.

2013 im Schnelldurchlauf

Einen schönen Jahresrückblick gibt es als Video übrigens auf Youtube – von Google, nach den meistgesuchten Begriffen in 2013 zusammengestellt:

Ausblick 2014

Reisen, ganz sicher. Wenn möglich, wieder nach Spanien. Ich habe in diesem Jahr eine Gegend kennengelernt, von der ich gerne mehr sehen möchte, und ich sammle schon eifrig Informationen, um in Cuenca und Umgebung wandern zu gehen. Die Landschaft ist atemberaubend, es gibt noch viel zu entdecken. Und zum Herbst hin Insel wäre auch nicht schlecht. Nochmal nach Borkum? Oder noch einmal La Gomera? Mal sehen… Im Oktober steht jedenfalls ein Kurztrip nach Hamburg an. Aus Gründen. :-)

Und schließlich steht ja auch ein zweites Buch quasi in den Startlöchern, die Fortsetzung des ersten Romans. Ich habe tatsächlich ein paar Monate Pause gemacht, das war einfach dringend notwendig. Ich brauchte Abstand. Aber mit dem ersten Glockenschlag des neuen Jahrs mache ich mich an die Fertigstellung. Veröffentlichung: voraussichtlich im Frühjahr 2014.

Ärger, den man nicht braucht…

Regio-Bahn S28
Regio-Bahn S28
Mail an den Betreiber der Regio-Bahn, sonst mein Lieblingsunternehmen – wenn da nicht ein ganz bestimmter Kontrolleur wäre… 😉

Betreff: Beschwerde über Fahrausweisprüfer Nr. … (Nummer der Redaktion bekannt)

Sehr geehrte Damen und Herren,

zum Sachverhalt: ich wohne in Kaarst und arbeite in Köln. Für die Fahrt zur Arbeit benutze ich ein von der KVB ausgestelltes und über meinen Arbeitgeber ausgehändigtes Jobticket, mit dem ich vom Kaarster Bahnhof nach Neuss fahre (mit der S28 der Regio-Bahn) und dort nach Köln umsteige (RE7 oder S11). Für die Rückfahrt den umgekehrten Weg.

Vor einigen Wochen hat mich auf der Strecke nach Kaarst oben genannter Fahrausweisprüfer kontrolliert und behauptet, dass mein Jobticket nicht gültig sei. Meine Argumente, dass genau dieses Ticket auf genau dieser Strecke schon zig-fach ohne Beanstandung kontrolliert worden sei, tat er ab und ließ mich „großzügig“ weiterfahren mit der Empfehlung, mein Ticket prüfen zu lassen.

Das habe ich sofort am nächsten Tag getan, und mein Arbeitgeber hat mir glaubhaft versichert, dass mit dem Ticket alles in Ordnung ist, dass der Übergangstarif vom VRS in den VRR bis einschließlich Kaarst gilt.

Gestern Abend (05.12.2013) traf ich wieder auf den oben genannten Fahrausweisprüfer – das selbe Spielchen, nur dass er mir diesmal (vermutlich, weil ich renitent war) einen „Strafzettel“ in Höhe von 40,00 Euro verpasst hat. Wieder kein Reden mit dem Mann, Hinweise auf Kollegen und andere Kontrollen wurden beiseite gewischt.

Heute Morgen traf ich in der S28 einen anderen Fahrausweisprüfer, den ich gebeten habe, mein Ticket einzulesen und mir zu erklären, was genau in dem Lesegerät zu sehen ist (üblicherweise wird stets ein großes Geheimnis daraus gemacht. Zinnober, Hokuspokus, Brimborium und so). Er hat mir alles in Ruhe erklärt und außerdem festgestellt, dass mein Ticket SELBSTVERSTÄNDLICH gültig sei. Der Kollege hätte nur mal auf die zweite Seite in seinem Gerät gucken müssen, wo alle Angaben stehen.

Ich war vorhin bei der KVB hier in Köln, die mir den Sachverhalt auch schriftlich bestätigt hat. Mein Ticket ist gültig, auch auf der Strecke Neuss/Kaarst. Ich habe alle Unterlagen eingescannt und füge sie als PDF bei.

Ich habe nicht nur meine heutige Mittagspause geopfert, um die Angelegenheit zu klären, mir werden außerdem Kosten entstehen, da ich die Unterlagen jetzt an die Deutsche Bahn schicken muss, um diese Kostenforderung niederzuschlagen. Per Einschreiben natürlich. Die Öffnungszeiten des Kundenbüros hier in Köln in der Weidengasse kollidieren leider mit meinen Arbeitszeiten, die Anlaufstelle im Hauptbahnhof ist meist hoffnungslos überlastet und daher nur mit langer Wartezeit zu erreichen.

Ich fände es irgendwie toll, wenn SIE sich um die Niederschlagung kümmern könnten, da schließlich einer Ihrer Mitarbeiter mich in diese Bredouille gebracht hat. Aber da damit wohl eher nicht zu rechnen ist, erwarte ich zum Mindesten, dass Sie Ihren Mitarbeiter schnellstmöglich zu einer Nachschulung in der Handhabung der Lesegeräte schicken. Es könnte sonst sein, dass ich ziemlich unfreundlich werde, sollte der Mann mich noch einmal vor den Augen aller anderen Fahrgäste des Schwarzfahrens bezichtigen. Aus diesem Alter bin ich wahrhaftig raus.

Ich möchte noch hinzufügen, dass ich den Service bei Ihnen normalerweise beispielhaft finde. Nur in diesem speziellen Fall hapert es.

Mit freundlichen Grüßen,

Sabine Kern

Alt: Herbstluft

Kalte Herbstluft am Morgen
der Sommer war
nur ein Wimpernschlag
die Zeit mit Dir
geträumte Sekunden

Kalte Herbstluft am Morgen
die Sonne tastet zögernd Dunst
die Erde atmet tief
und langsam
sorgt vor für den Winterschlaf

Kalte Herbstluft am Morgen
mein Kopf ist klar
mein Herz warm eingepackt
ich fühle es unter der Jacke
es lebt.

Kalte Herbstluft am Morgen
die Welt ist durchscheinend
und zerbrechlich
Deine Wärme in meinem Herzen
macht mir Mut
ich freue mich auf den Winter.

(1986)

Alt: Mauern

Mauern

Wir sehen uns
aber dürfen uns nicht kennen.
Wir hören uns
aber dürfen nicht offen sprechen.
Sind wir niedergeschlagen
dürfen wir uns nicht trösten.
Es sind Mauern zwischen uns
die andere gebaut haben.
Aus Steinen, Lügen, Dummheit und Angst.

Wir leben in verschiedenen Dimensionen,
Du im Heute, ich im Gestern.
Du in der Luft, ich auf der Erde.
Du stehst im Leben
ich bewundere Dich von außen.
Wir verfehlen uns ständig,
manchmal um Millimeter,
manchmal um Welten.
Doch treffen wir uns jemals
im selben Moment
am selben Ort
sind Gestern, Heute und Morgen eins,
umarmen wir die Welt,
tanzen im Licht.

(ca. 1982)

Dinge, die man nicht vergisst

Es gibt viele Bilder, die sich einprägen, Bilder, die man nie vergisst und noch Jahre später genau weiß, was man zu dem Zeitpunkt getan hat, als man sie sah. Es gibt Bilder, die das ganze Leben, das danach kommt, beeinflussen und entscheidend ändern können.

Weihnachten 1989. Nach einem ohnehin schon völlig verrückten und aufregenden Jahr, in dem sich nicht nur die deutsche Geschichte für immer verändert hat, kommen neue, beunruhigende Nachrichten aus Rumänien. Es rumort, das Volk erhebt sich endlich gegen den Diktator Ceaușescu. Er steht auf dem Balkon des Palastes, will eine Rede halten und wird vom Volk niedergebrüllt. Er sieht fassungslos in die Menge, wird von Sicherheitsleuten nach innen gebracht und flieht in einem Hubschrauber. Zwei Tage später hat man ihn aufgespürt, verhaftet, in einem Schnellgerichtsverfahren zum Tode verurteilt und erschossen.

In den Straßen Bukarests kämpfen die Menschen währenddessen gegen die Heckenschützen der Securitate (rumänischer Geheimdienst), die noch nicht aufgegeben hat. Die Bevölkerung hat bestenfalls Schrotflinten aufzubieten gegen die hochgerüsteten Kämpfer von Ceaușescus Eliteeinheiten, manche nicht einmal das. Mit Schaufeln, Knüppeln, Fäusten gegen Maschinengewehre.

Und da ist ein Bild: Mitten zwischen den Kampflinien und den Kugeln hindurch läuft gebückt ein Mann, der ein Backblech balanciert. Ein Backblech mit frischgebackenen Brötchen. Er rennt quer über eine Straße, Kugeln pfeifen über seinem Kopf, er bringt sich hinter einer Mauer in Sicherheit. Er riskiert sein Leben, um anderen, die für die Freiheit beinahe mit bloßen Händen kämpfen und in Verstecken und hinter Barrikaden ausharren, etwas zu essen zu bringen.

Ich war nicht unmittelbar dabei. Ich habe das alles „nur“ am Fernseher verfolgt. Was nicht bedeutet, dass sich Bilder weniger einprägen.

Was ich damit sagen will? Menschen riskieren ihr Leben, um für sich selbst und alle anderen ihre Volkes etwas zu erkämpfen, was für meine Generation immer selbstverständlich war und ist: das Recht, ihre Regierung selbst zu bestimmen. Das Recht auf freie, demokratische und geheime Wahlen. Mir muss niemand erzählen, wie gut wir es in diesem unserem Lande vergleichsweise haben. Mich muss auch niemand zur Wahlurne prügeln. Zur Wahl zu gehen ist nicht nur ein Recht, das ich wahrnehme – es ist ein Privileg, das ich zu schätzen weiß.

Ich werde seit Tagen, um nicht zu sagen, seit Wochen pausenlos daran erinnert, wie wichtig es ist, zur Wahl zu gehen. Auf Facebook, auf Twitter, im Bekannten- und Kollegenkreis. Und es fängt an, mich zu nerven. Ihr rennt offene Türen ein. Vielleicht brauchen die Menschen, die mich in den letzten Tagen ständig erinnern, einfach mehr Bilder im Kopf. Bilder von Menschen, die noch wissen, wirklich wissen, was Grundrechte sind.

Alt und Neu: Leute, ein Dorfplatz!

Dorfplatz mit Linde

Dorfplatz mit Linde

Der gute alte Dorfplatz. Treffpunkt auf den Bänken im Schatten der großen Dorflinde. Die Nachbarin kommt vorbei, in Eile, ruft nur einen Gruß herüber. Zwei Männer im besten Alter beugen sich über eine aufgeschlagene Zeitung und diskutieren das neueste Automodell ihrer Lieblingsmarke. Zwei Hausfrauen in der Nähe, nehmen sich ein paar Minuten zwischen Einkäufen und Kochen, stecken die Köpfe zusammen und tuscheln, während ihre Kinder rund um den Platz herumjagen. Hier sind die Alten noch wichtig. Das Leben flaniert vor ihren Augen, kritisch beäugt, wohlwollend oder auch sarkastisch kommentiert. Manchmal fragt ein Junger, wie es früher denn so war.

Dorfplatz. Kontaktbörse, Treffpunkt, Austausch von Neuigkeiten, Gerüchten, Geschichten, Klatsch und Begegnungen – es ist ein Grundbedürfnis des Menschen, sich des Rückhalts durch Nachbarn und Bekannte in seiner vertrauten Umgebung zu versichern. Manchmal hitzige Debatten und Streitigkeiten, aber es gibt immer den einen, der schlichtet und den Verbalattacken die Spitze nimmt. Thema ist alles: Einkaufstipps, Autos, der neueste Film, Promi- und Nachbarschaftsklatsch, häusliche Probleme, artgerechtes Futter fürs Haustier, Nachrichten, Katastrophen, das nächste Konzert der Lieblingsband oder man macht einfach nur seinem Ärger über die Ungerechtigkeit der Welt Luft.

Nein, keine Momentaufnahme einer Kleinstadt im 19. Jahrhundert, sondern – in ein anderes Bild übertragen – Beobachtungen auf dem globalen Dorfplatz: Facebook.