Auf dieses Buch war ich sehr gespannt. Die Hauptfigur, der Polizist Max Cámara, ist mir ans Herz gewachsen, seit ich die ersten beiden Max Cámara-Krimis La Muerte (Originaltitel: „Or the bull kills you“) und A Death In Valencia (leider noch nicht in deutscher Übersetzung erhältlich) gelesen habe. Ich erwartete einen weiteren, spektakulären Kriminalfall, genussvoll vor einem farbenprächtigen, valencianischen Hintergrund ausgebreitet.
So kann man sich täuschen – in positiver Hinsicht. Ja, es geht wieder um einen Mord, diesmal an einem fünfzehnjährigen Mädchen. Es geht um ein Massengrab aus den Vierziger Jahren mitten in Albacete, Max’s Heimatstadt. Es geht um seinen Großvater Hilario, es geht um Safran, um den Spanischen Bürgerkrieg, um die Blaue Division im II. Weltkrieg (von deren Existenz ich, das muss ich zu meiner Schande gestehen, keine Ahnung hatte), es geht um Liebe, um die Notwendigkeit zu töten, um selber zu überleben – und es geht vor allem und immer um Max, der zwischen Damals und Heute einen Mörder jagt und selbst nicht weiß, wie alle früheren und jetzigen Ereignisse miteinander verwoben sind und nichtsahnend seine eigene Familiengeschichte aufwühlt. Max driftet zwischen den Ereignissen, unentschlossen, er muss sich fragen, was all diese Dinge mit ihm zu tun haben. Und ohne dass er es will, wird er einerseits getrieben und gewinnt andererseits Klarheit über sein eigenes Leben und vielleicht auch seine Zukunft, das bleibt am Schluss offen.
Wieder ein Buch über den Spanischen Bürgerkrieg? Nein. Aber eines, das ohne diese Geschichte nicht denkbar wäre. Ein Buch, das ohne direkte Rückblicke in die Vergangenheit deutlich macht, wie sehr diese furchtbare Zeit Spuren in den Menschen, in den Familien hinterlassen hat, und warum es auch heute noch schmerzt, Dinge wieder aufzuwühlen. Denn eines ist klar: es schmerzt. Es schmerzt, Massengräber zu untersuchen, es schmerzt, festzustellen, dass Familienmitglieder dort verscharrt wurden. Es schmerzt, deren Mörder oder Verräter oder deren Abkömmlinge ungestraft und frei herumlaufen zu sehen, oft in der selben Stadt, im selben Ort. Aber die Dinge auf sich beruhen zu lassen, wie die „Rechten“ in Spanien es wollen, ist falsch und nur ein Zeichen von Feigheit und Angst.
Vieles in diesem Buch war überraschend, manches verstörend, machte nachdenklich, viele Hinweise auf den Mörder des jungen Mädchens sind ausgelegt, und wie bei jeder gut durchdachten Geschichte weiß man erst ganz am Schluss Bescheid, fragt sich aber gleichzeitig, wieso man nicht eher draufgekommen ist.
Begeistert hat mich, wie Jason Webster dieses Buch geschrieben hat, es ist der beste Max Cámara-Band bisher, ohne Zweifel. Es ist faszinierend, wie die ganzen Handlungsstränge miteinander verknüpft sind, wie Jason Webster es versteht, mit wenigen, aber unglaublich treffend ausgewählten Worten oder dürren Bildern eine Straße, eine Landschaft, eine Stimmung oder einen Menschen zu skizzieren. Großartig, wie er scheinbar beiläufig, aber sehr nachhaltig den Spanischen Bürgerkrieg hineingewoben hat, in einer Weise, dass das Thema einen so schnell nicht loslässt. Er ist wirklich ein Meister, und er wird immer besser.
Nur ein Punkt hat mich ein wenig irritiert, und ich frage mich, ob es so offensichtlich war oder ob ich einfach nur einen Zufallstreffer gelandet habe: auf den Mörder des jungen Mädchens hatte ich von Anfang an getippt, vielleicht war es nur ein Gefühl, ein Instinkt, ich weiß es nicht. Jedenfalls ertappte ich mich dabei, das Buch im Hinblick darauf zu lesen, wie Max ihm nun eigentlich auf die Schliche kommt. Trotzdem habe ich natürlich die Lektüre sehr genossen und fand es spannend, sonst hätte ich es sicher nicht in einem Zug gelesen! Und ich hätte ja auch völlig falsch liegen können… 😉
Am Schluss von „The Anarchist Detective“ kann Max endlich Entscheidungen treffen. Welche, bleibt offen. Entweder ist es das Ende der Max Cámara-Bücher – oder ein Auftakt für weitere Bände. Das weiß nur Jason Webster.
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English review
Before the release of the book I had been very eager and curious at the same time to read another Max Cámara story from Jason Webster, and I was happy to download the Kindle version right before the weekend, having time to read it at once. I love Max, he is a wonderful, deep, interesting, edged character. I always love these. I wasn’t quite sure what I expected before, perhaps another spectacular criminal case, delightfully laid out in front of a colorful, Valencian background.
I was fooled – in a positive way. Yes, there is a murder, this time a fifteen year old girl. But there are a lot more incidents going on and happening: It’s also about a mass grave from the forties in the middle of Albacete, Max’s hometown. It’s about his grandfather, Hilario, it’s about saffron, it’s about the Spanish Civil War up to the Blue Division in World War II (of whose existence, I’m ashamed to confess, I had no idea), it’s about love, it’s about the need to kill to survive – and it is all and always dealing with Max chasing a murderer between then and now. He not even knows that he is about to stir his own family history. Max drifts between events, indecisive, he must be wondering what all these things have to do with him. And without wanting it, he is forced to make decisions about his own life and his future. Which ones, remains open.
Again a book about the Spanish Civil War? No. But a book which could possibly not have been written without this historical background. A book that doesn’t do flashbacks into the past, but shows exactly how much the terrible time has left its mark on people, in families, and why it still hurts today, stirring up things again. One thing is clear: it hurts. It hurts to investigate mass graves, it hurts to realize that family members were buried there. It hurts to see their murderers or traitors or their descendants move freely and with impunity, often in the same city, in the same place. But to let the things been forgotten, what the “rights” in Spain want to do, is wrong and only a sign of cowardice and fear.
Much in this book was surprising, disturbing, made me thoughtful, many references to the murderer of the young girl are placed, but as in any well thought out story you only know the truth at the very end, but you wonder why you haven’t seen that come.
It’s thrilling and brilliant how Jason Webster has written this book, it’s the best Max Cámara book, without a doubt. It’s fascinating how all the storylines are linked, Jason Webster knows how to sketch a road, a landscape, a mood, a character with a few, but incredibly aptly selected words. Brilliant how seemingly casual, but very sustainable he has woven the Spanish Civil War into the story, in a way, that the issue will not be forgotten very soon. He is really a master, and he is getting better and better.
Just one point confused me a bit, and I wonder if it was so obvious or if I’ve just landed a fluke: for me was pretty clear from the beginning, who murdered the young girl. Maybe it was just a feeling or instinct, but I found myself reading the book in terms of how and when Max will discover it. But don’t get me wrong, nevertheless I enjoyed reading very much, otherwise I wouldn’t have read it in one go. And also I could have been wrong, so…
I’m not sure about the end though. Max is free to make decisions about his life now. Will this be the end of Max Cámara books? Or the start of some new ones? Only Jason Webster knows.